In den §§ 77 und 78 Strafgesetzbuch ist aktive Sterbehilfe in Österreich klar als verboten geregelt. Der Verfassungsgerichtshof prüft nun dieses Verbot, das von vier Antragstellern für verfassungswidrig gehalten wird.
In der Oktober-Session des VfGH steht das Thema Sterbehilfe auf der Tagesordnung. Die erste Beratung beginnt am 24. September 2020 mit einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.
Bereits im vergangenen Jahr wurden entsprechende Anträge von Vereinen und Einzelpersonen eingebracht, die insb. die §§ 77 und 78 StGB als verfassungswidrig und EU-rechtswidrig erachten. Das Argument ist, die strafrechtlichen Bestimmungen würden das Recht auf Selbstbestimmung verletzen. Die Verfassung garantiere die Selbstbestimmung.
ÖGHL „zuversichtlich“
Für eine Beendigung des Sterbehilfeverbots plädiert die ÖGHL – Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende. In einer Presseaussendung spricht sich die ÖGHL für eine „Entkriminalisierung der Sterbehilfe“ aus und zeigt sich zuversichtlich, dass das Höchstgericht den vorliegenden Anträgen zustimmen wird.
Deutscher Gerichtshof kippte gewerbliches Sterbehilfeverbot
Ein ähnliches Verbot („geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“) wurde im Februar 2020 in Deutschland vom Verfassungsgerichtshof gekippt. Dem Gesetzgeber bleibt demnach zwar die Möglichkeit, die Sterbehilfe zu regulieren, z.B. durch das Einführen zwingender Wartefristen, ein generelles In-Strafe-stellen der Tätigkeit von Vereinen, die Sterbehilfe anbieten, soll es aber nicht mehr geben.
Enquete empfiehlt Hospitz-Ausbau
Im Jahr 2015 beendete die österreichische parlamentarische Enquete zum Thema „Würde am Ende des Lebens“ ihre mehrmonatige Arbeit mit 51 Empfehlungen. Mehrere Enquete-Teilnehmer strebten von Anfang an eine Empfehlung an, das Verbot der Sterbehilfe verfassungsmäßig zu verankern. Zu einer solchen Empfehlung kam es im Endbericht nicht. Die Empfehlungen haben hauptsächlich die Verbesserung der Hospizversorgung von Menschen, die im Sterben liegen, im Fokus.
ÖBR: aktuelle Gesetzeslage beibehalten!
Gegen eine Aufweichung des Sterbehilfeverbots sprechen sich etwa Behindertenverbände aus. Der Österreichische Behindertenrat sieht in der aktuellen Gesetzeslage eine ausreichende Selbstbestimmung am Lebensende, etwa durch eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht. In einer kürzlich veröffentlichten Presseaussendung fordert der Behindertenrat eine Stärkung und umfassende Finanzierung der Hospiz- und Palliativversorgung.
Die Österreichische Palliativgesellschaft hat anlässlich der VfGH-Beratungen eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie ebenfalls die bestehende gesetzliche Regelung hinsichtlich des Verbots der Sterbehilfe für angemessen hält. Der Ausbau der Palliativversorgung müsse hingegen vorangetrieben werden.
Das IEF, eine Einrichtung der Österreichischen Bischofskonferenz, spricht sich für die Beibehaltung des „Österreichischen Konsens“ aus und befürchtet, dass eine Lockerung des Sterbehilfeverbots „das Tor zum Geschäft mit der Tötung“ öffne.
Quellen:
Verfassungsgerichtshof vfgh.gv.at | 18.09.2020
07.09.2020 | Verbot der Sterbehilfe auf Tagesordnung der Oktober-Session 2020
Österreichische Palliativgesellschaft palliativ.at | 18.09.2020
14.09.2020 | Verbot der Sterbehilfe auf der Tagesordnung des VfGH
Österreichische Gesellschaft für ein humanes Lebensende via ots.at | 18.09.2020
Presseaussendung vom 16.09.2020 | Kippt das Sterbehilfeverbot in Österreich?
Österreichischer Behindertenrat via ots.at | 18.09.2020
Presseaussendung vom 10.09.2020 | Für ein würdevolles Lebensende
wienerzeitung.at | 18.09.2020
26.02.2020 | Deutschland – Verfassungsgericht öffnet Tür für Sterbehilfe
parlament.gv.at | 18.09.2020
Parlamentskorrespondenz vom 03.03.2015 | Enquetekommission fordert Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung
Institut für Ehe und Familie IFE.at| 18.09.2020
08.09.2020 | Lebensende: Suizid braucht keine Beihilfe – Suizid braucht Prävention
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 05.10.2020
Artikel-Kategorie(n): Eugenik und Menschenwürde, News
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