Der Entscheid des VfGH zum Thema Sterbehilfe bringt den Gesetzgeber in Zugzwang. Bis Ende des Jahres soll eine Regelung her. Insb. behinderten Menschen haben massive Bedenken, die jetzt in Form einer Petition geäußert werden.
Im Herbst 2020 wurden § 77 und § 78 des österreichischen Strafgesetzbuches vom Verfassungsgerichtshof geprüft. Die beiden Paragrafen handeln von der „Beihilfe zum Suizid“ und vom „Töten auf Verlangen“.
Der VfGH erklärte später den § 78 als teilweise verfassungswidrig:
Die Wortfolge „oder ihm dazu Hilfe leistet,“ in § 78 des Bundesgesetzes vom 23. Jänner 1974 über die mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlungen (Strafgesetzbuch – StGB), BGBl. Nr. 60/1974, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Nun hat die Regierung die Aufgabe, bis Ende 2021 einen neuen verfassungskonformen Gesetzesentwurf zu finden. Das Ziel ist also, die „Beihilfe zum Suizid“ zu legalisieren bzw. zu entkriminalisieren. Dadurch können jedoch eine Menge neuer Probleme, unter anderem bzw. vor allem für Menschen mit Behinderung, entstehen.
Huainigg startet Petition
Diese Besorgnisse als Grundlage eröffnete Franz-Joseph Huainigg eine Petition, die den Nationalrat über eine Reihe an Bedenken informieren soll, die bei dem neuen Gesetzesentwurf berücksichtigt werden müssen:
So besteht mit einer Entkriminalisierung des assistierten Suizids die Gefahr, dass die freie Willensbildung eines Individuums enorm beeinflusst wird. Einer Person könnte also die „Idee eines (assistierten) Suizids“ in den Kopf gesetzt werden. Es wird eine weitere „Lösung“ vorgestellt – dabei kann es jedoch passieren, dass die „Beihilfe zum Leben“ im Vergleich zu kurz kommt, weil sie auf den ersten Blick komplizierter erscheint. Dies darf jedoch nicht geschehen! Es muss immer das Weiterleben im Mittelpunkt stehen!
Assistierter Suizid als Geschäft?
Des Weiteren kann eines missbräuchliche Anwendung nicht effektiv ausgeschlossen und verhindert werden. So kann sich ein Geschäft aus der Idee des assistierten Suizids entwickeln. Es besteht die Gefahr, dass dieser in Pflegeeinrichtungen oder in der Palliativmedizin durchgeführt wird. Huainigg schreibt dazu, dass dies „dem eigentlichen Sinn dieser Einrichtungen widersprechen würde, den Bewohner*innen Angst machen kann und zudem das Verhältnis der Kund*innen untereinander sowie zum Pflege- und Betreuungspersonal in Mitleidenschaft zieht.“
Außerdem kann eine Entkriminalisierung der „Beihilfe zum Suizid“ die Legalisierung von „Töten auf Verlagen“ (§ 77 StGB) als Folge haben, wie es derzeit in u.a. Belgien, Luxemburg oder Niederlande schon der Fall ist. Die vorhin beschriebene „neue Lösung“, also das Beenden des eigenen Lebens, aus einer schwierigen Situation wird dadurch noch weiter bestärkt, wohingegen das Weiterleben und der Wunsch des Weiterlebens an Wert verliert.
Menschen mit Behinderung sind noch weit entfernt von echter Selbstbestimmung
Huainigg schreibt, dass der assistierte Suizid das höchste Maß an Selbstbestimmung erfordern würde. Menschen mit Behinderungen haben meistens nicht die Möglichkeit, dieses höchste Maß zu erleben – wodurch das Problem entsteht, dass die Option eines legalen, assistierten Suizids besteht, ohne dass die Person zuvor ein komplett selbstbestimmtes Leben führte.
Der Schlusssatz der Petition:
Wir wollen eine Gesellschaft bauen und weiterentwickeln, die Verantwortung füreinander übernimmt, die unterstützt, die aufklärt, die Betreuung und Begleitung im Alter, bei Pflegebedarf, Gebrechlichkeit oder Behinderung verbessert!
Die Petition kann hier unterstützt werden:
www.openpetition.eu – „Beihilfe zum Suizid erlaubt? Aber wo bleibt die Beihilfe zum Leben?“
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 24.09.2021
Artikel-Kategorie(n): Eugenik und Menschenwürde, News
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