2016 – Der Countdown läuft! – Unter diesem Titel wurde am 30. September der diesjährige Nationale Informationstag der ÖAR im Sozialministerium abgehalten. Anna Maria Hosenseidl war für behindertenarbeit.at mit dabei.
In den Begrüßungsworten wies Sozialminister Rudolf Hundstorfer darauf hin, dass das Thema der Barrierefreiheit intensiv aufgenommen und der Zeitrahmen bis 1.1.2016 von der Wirtschaft eingehalten werden muss. In allen Bereichen soll Barrierefreiheit voranschreiten.
Mag. Svoboda meinte in seinen Statements, dass im Rahmen der zehn Jahre des Behindertengleichstellungsgesetzes schon viel geschehen ist und dass das Bewusstsein für Barrierefreiheit gewachsen ist. Barriefreiheit ist auch ein wirtschaftlicher Vorteil für alle Menschen (ältere Menschen, Mütter mit Kinderwägen etc.). Es soll ein Ruck durch das Land gehen und die 15 Monate sollen effektiv genutzt werden. 2016 wird zwar kein Paradies für Barrierefreiheit sein, aber es muss trotzdem laufend nachhaltige Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Wirtschaftskammer verlangt längere Übergangsfrist
Am Beginn des Referats sagte Dr. Gleitsmann von der WKO, dass schon sehr viel Chancengleichheit in der Arbeitswelt herrscht (Arbeitshilfe, Arbeitsassistenz etc.) und „dass die Unternehmen ihre soziale Verantwortung und soziale Kompetenz wahrnehmen“. Barrierefreiheit ist in allen Lebensbereichen (baulich, technisch, leichter lesbar etc.) umzusetzten. Ungerecht sei aber, dass sich der Bund punkto Barrierefreiheit längere Übergangsfristen genehmigt hat, als der Privatwirtschaft zugestanden wird. Weil die 15A Verträge noch nicht eingehalten worden sind, gibt es auch eine Ungleichheit zwischen den Ländern und der Privatwirtschaft.
BGStG: Gericht prüft Zumutbarkeit der Umstellung auf Barrierefreiheit
Dr. Rubisch vom Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz hat seine Präsentation weitgehend barrierefrei gestaltet. Er hat an vier Gerichtsurteilen aufgezeigt was positiv und negativ an dem Behindertengleichstellungsgesetz ist. Das Gericht prüft den Aufwand der finanziellen und organisatorischen Beseitigung der Barrieren und die Leistungsfähigkeit der Beklagten. Es gibt Übergangsfristen und Etappenpläne, die sich der Bund im öffentlichen Bereich gesetzt hat. Bis 2020 sollte der Bund die Barrieren abgebaut haben, dennoch wird die Zumutbarkeit geprüft. (51% ist beim Bund „schon“ barrierefrei).
Voget fordert mehr Informationsarbeit
Dr. Voget wies darauf hin, dass die Gewerbeordnung mit dem Behindertengleichstellungsgesetz in manchen Bundesländern nicht kompatibel ist. Die Wirtschaftskammer informiert seine Mitglieder nicht, dass die Übergangsfrist des Behindertengleichstellungsgesetzes mit 1.1.2016 endet.
Alle Lehrpläne in technischen und handwerklichen Berufen sollen auf Barriefreiheit adaptiert werden. Eine Umstellung in den Köpfen der Menschen wäre von großer Wichtigkeit.
Kontroverse Standpunkte
In der Podiumsdiskussion zwischen Dr. Voget und Dr. Gleitsmann sagte Voget, dass die Übergangsfristen lang genug sind, weil sich die Unternehmen auf andere Veränderungen auch schneller einstellen, als in 10 Jahren. Die Privatwirtschaft hat keine Etappenpläne.
Dr. Gleitsmann meinte darauf, dass sich die Länder ihrer Verantwortung entziehen, dies könne man am Beispiel Wien sehen, wo erst bis 2022 33% aller Bauten barrierefrei sein sollen.
Dr. Voget bemerkte, dass die WKO mehr finanzielle Mittel zur Information über Barrierefreiheit seiner Mitglieder einsetzten soll. Dr. Gleitsmann entgegnete, Unternehmen bräuchten mehr Rechtssicherheit.
Verschiedenheit Grundlage von Planung
DI Klenovec von design for all eröffnete ihre Rede mit den Worten der Grundrechte für alle Menschen, nämlich das
- Recht auf freie Wahl des Wohnplatzes,
- Recht auf freie Bildung,
- Recht auf freie Berufswahl,
- Recht auf Erholung und Freizeit.
Die Verschiedenheit sollte die Grundlage aller Planungen sein.
Sie wies auf sehr viele Richtlinien und Verordnungen auf UN, EU, Bundes- und Länderebene hin, mit denen die Barriefreiheit umgesetzt werden soll. Außerdem würden 80% der Unfälle durch bauliche Barrieren passieren. Für barrierfreie Umbauten im Wohnbereich sind drei wesentliche Grundvoraussetzungen zu beachten: schwellenloser Eingangsbereich, 80cm Türbreite und ein ausreichender Bewegungsraum von 150cm pro Raum. Es ist nicht um sehr viel teurer, wenn man die Barriefreiheit in der Planungsphase mitberücksichtigt.
In der Baustudie von Rudolf Leitner „Daheim statt Heim“ geht hervor, dass die Umbaukosten für einen barriefreien Wohnraum sich in den ersten 2 Jahren rentieren. Wenn man barriefreies Wohnen ermöglichen würde kostet das laut Studie weniger als Heimunterbringung.
Sie zeigte ein paar Beispiele von barriefreien Bädern auch im Tourismus und Wohnbereich auf.
Fehler bei der (Nicht-)Umsetzung von Barrierefreiheit
Nach der Mittagspause erläuterte Martin Ladstätter 10 Punkte was man bezüglich Barriefreiheit nicht machen sollte:
- Nicht den richtigen Zeitpunkt ignorieren!
- Alles in die Zukunft schieben!
- Gesetze nicht lesen!
- Gesetze missachten!
- Förderungen ignorieren!
- Unterstützung ignorieren!
- MitbewerberInnen unterschätzen!
- KundInnen ignorieren!
- Ziel aus den Augen verlieren!
Es soll eine Gesellschaft geschaffen werden, in der wirklich alle teilhaben können. Davon profitieren alle und auch die Wirtschaft. Barrierefreiheit nützt uns allen!
Film und Diskussion
Der Film von Martin Habacher zeigte postive Beispiele von Wirtschaftstreibenden in Wien, die Barriefreiheit mehr oder weniger umgesetzt haben.
[Link zum Video auf der Homepage der WKO]
Die Podiumsdiskussion aller ReferentInnen war sehr informativ.
Fazit
In 457 Tagen sollen alle Wirtschaftsbetriebe umgebaut sein, ich bin sehr skeptisch, ob das gelingen wird!
Anna Maria Hosenseidl
Referate, Links und sonstiges Material zur Veranstaltung:
http://www.oear.or.at/aktuelles/presse/news/nationaler-informationstag-der-oear-erste-eindrucke-der-fachtagung-zum-thema-barrierefreiheit
AutorIn: Anna Maria Hosenseidl
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Gleichstellung und Antidiskriminierung, News
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