Ist Vollbeschäftigung nur mehr eine Illusion und kein politisches Ziel mehr, muss die Gesellschaft Arbeit neu bewerten. Unbezahlte Arbeit in der Familie und für das Gemeinwesen müssen gleich bewertet werden wie Erwerbsarbeit – und gerechter verteilt werden. Eine Verkürzung der Erwerbsarbeit bei vollem Lohnausgleich ist nur ein erster Schritt für die anstehende Gesellschaftstransformation. Dies ist eine Erkenntnis der Fachtagung „Wertvolle Arbeit – Vollwert-Arbeit“ am 4.10.2011 im Wiener WUK.
Vom Überleben zum guten Leben
Dr.in Gabriele Michalitsch verdeutlichte in ihrem Vortrag, wie durch neoliberale Marktmechanismen gesellschaftliche Teilhabe immer mehr durch Erwerbsarbeit bestimmt wird. Gleichsam ermöglichen sie dem Menschen nur mehr ein Überleben – geprägt durch Leistungsdruck, Erfolgszwang und Versagensangst. Ist ein „gutes Leben“ für alle Menschen das Ziel, sind alternative Formen der Arbeitsmarktorganisation gefragt – Formen des Wirtschaftens, die auf menschliche Bedürfnisse ausgerichtet sind, statt auf Gewinnmaximierung für einzelne. In der abschließenden Podiumsdiskussion waren sich alle ExpertInnen einig, dass sich insbesondere für ausgrenzungsgefährdete Menschen immer weniger Möglichkeiten bieten, am neoliberal geprägten Arbeitsmarkt der Informationsgesellschaft zu bestehen. Um allen Menschen die gleiche Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe zu bieten, ist eine Gesellschaftstransformation mit einer Neubewertung von Arbeit unumgänglich. Arbeit in der Familie und ehrenamtliche Tätigkeiten müssen gleich anerkannt werden wie Erwerbsarbeit. „Auf dem Weg von der Arbeitsgesellschaft zur Tätigkeitsgesellschaft ist die Umverteilung von Arbeit und Einkommen durch eine Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit der erste Schritt“, so WUK-Geschäftsleiterin Ute Fragner.
Arbeitsmarktförderung braucht angepasste Strukturen
Was ein neoliberal organisierter, entpolitisierter Arbeitsmarkt für die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik bedeutet, zeigte Dr.in Eva Häfele, die Arbeitsmarktförderung im internationalen Vergleich erforscht, in ihrem Referat auf. In der Podiumsdiskussion entstand darauf hin eine hitzige Debatte über mehr oder weniger Staat oder Privat. Arbeitsmarktpolitische Einrichtungen und Projekte, wie das WUK sie seit 30 Jahren betreibt, sind auf der einen Seite gezwungen, unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zu agieren. Auf der anderen Seite erschweren öffentliche Förderstrukturen genau dieses. „Das immer wiederkehrende Auf- und Abbauen von Projektstrukturen bedeutet nicht nur einen enormen Know-How-Verlust, sondern verschlingt auch Unsummen an Steuergeldern“, so WUK-Geschäftsleiterin Ute Fragner in der anschließenden Podiumsdiskussion. Um unabhängiger sein zu können, fordert Fragner die Möglichkeit selbst Einnahmen erwirtschaften zu können, ohne dass die Förderungen im Gegenzug um denselben Betrag reduziert werden. Der Staat könnte zudem lenkend eingreifen indem er Fördergelder von Projektförderungen hin zu längerfristigen Lohnkostenförderungen verschiebt, so Dr.in Häfele.
WUK Bildungs- und Beratungstag war ein voller Erfolg
Die Tagung war Teil des Bildungs- und Beratungstages im Rahmen der WUK 30 Geburtstagswoche. Das rege Interesse – der große Saal im WUK war mit circa 200 BesucherInnen bis auf den letzten Platz besetzt – sowie die in der Diskussion entstandenen Erkenntnisse und Forderungen zeigen die dringende Notwendigkeit einer weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema.
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Quelle: WUK
AutorIn: WUK
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Arbeitsintegration und unterstützte Beschäftigung, News
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