Im April 2011 traten die Vorstandsvorsitzenden der BAGS als Vertreter der Österreichischen Sozialunternehmen vor die Presse, um vor den drohenden massiven Kürzungen im Sozialbereich zu warnen. Sie riefen die Bevölkerung zur “Sozialen Landesverteidigung” auf und forderten von den Entscheidungsträgern, den Abbau sozialer Leistungen zu stoppen und im Hinblick auf die demografische Entwicklung mehr Geld für die Versorgung der unterschiedlichen benachteiligten Gruppen bereit zu stellen. Nach einem halben Jahr ist das Bild der Branche nicht rosiger, im Gegenteil. Der Kostendruck auf Unternehmen und MitarbeiterInnen steigt und konkrete Leistungskürzungen in den Bundesländern sind die Folge.
Leistungsabbau ist bereits Realität
Die Branche der Sozialdienstleister in Österreich ist sehr heterogen, sowohl was die Anbieterstruktur anbelangt als auch in Bezug auf die KundInnen / AuftraggeberInnen. Von der Behindertenbetreuung über die Arbeitsintegration von Benachteiligten bis zur Altersversorgung und Kinderbetreuung reicht der Bogen der von den privaten Trägern übernommenen Aufgaben. Der Großteil der Leistungen wird im Auf- trag von Bundeseinrichtungen wie dem Bundessozialamt oder für das AMS oder die Sozialreferate der Bundesländer erbracht. Dement- sprechend unterschiedlich erfolgte in den vergangenen Monaten auch das Eingehen auf die Forderungen der BAGS aufgrund des steigenden Finanzbedarfs in den Einrichtungen. Erhöhter Kostendruck bei gleichzeitiger Leistungsverdichtung und einem zunehmen- den Ausmaß an Kontrolle und Verwaltung führte die Sozialunternehmen bereits in den vergangenen Jahren an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.
Kosten der Betreuung sind nicht mehr gedeckt
Interventionen bei Politikern und ausführenden Beamten in den Bundesländern brachten für die Vertreter der BAGS höchst unterschiedliche Signale „Gemeinsam ist den Förderstellen, dass sie allesamt die von ihnen beauftragten Sozialdienstleister nicht ausreichend dotieren“, beschreibt Wolfgang Gruber, der Sprecher der BAGS, „Nur in Einzelfällen ist die Abgeltung erfolgt, die aufgrund der Preis- und Kostensteigerungen in den Einrichtungen notwendig gewesen wäre.“ Im Verhältnis zur Inflationsrate sei die Dotierung des Sozialbereiches überall gesunken, was zur Folge habe, dass die Leistungen für die betreuten Menschen in den Sozialunternehmen nicht mehr im notwendigen Ausmaß aufrecht erhalten werden können. Schon jetzt aber decken sich Bedarf und Angebot bei weitem nicht mehr. Tatsache ist auch, dass die KlientInnen immer höhere finanzielle Beiträge für die Inanspruchnahme von sozialen Dienstleistungen bezahlen müssen. Und das bei gleichzeitiger Reduzierung von sozialen Transferleistungen, was immer mehr Menschen, die Unterstützung brauchen würden, ausgrenzt. So rechnet man bereits jetzt mit 400.000 Menschen, die in Österreich in akuter Armut leben. Wolfgang Gruber: „Wenn das so weiter geht, dann wird der Flaschenhals immer enger und es drohen ernsthafte Gefahren für die Demokratie. Denn, wenn wir den Menschen, die unsere Unterstützung brauchen, nicht mehr ausreichend helfen können, dann drängen wir diese auf die Straße, in die Obdachlosigkeit, in den sozialen Notstand, in die Eskalation durch Gewalt.“
MitarbeiterInnen fordern mehr Anerkennung
Aber auch auf der Seite der MitarbeiterInnen hat der erhöhte Druck besorgniserregende Konsequenzen. Zunehmende prekäre Arbeitsverhältnisse, Leistungsverdichtung (immer weniger Zeit für immer mehr zu Betreuende) als zu niedrig empfundene Entlohnung und ein schwaches Berufsimage führen dazu, dass den Sozialunternehmen Schlüsselkräfte in der Betreuung und Pflege fehlen. Die BAGS, so Sprecher Wolfgang Gruber, rechne daher heuer mit besonders schwierigen Kollektivvertragsverhandlungen, die Anfang Dezember beginnen werden.
Sozialwirtschafts-Kongress geplant
Der grassierende Sozialabbau in Österreich eint die gesamte Branche in ihrer Sorge um eine schrittweise Auflösung des Sozialstaates. „Die Sozialunternehmen sind keine Subventionsempfänger und Bittsteller“, so BAGS-Sprecher Wolfgang Gruber. Die Unternehmen bieten für die komplexesten Probleme Dienstleistungen von höchster Qualität an, um Menschen in unterschiedlichen Notlagen zu unterstützen oder dafür zu sorgen, dass Menschen mit geistiger, körperlicher oder psychischer Beeinträchtigung ein Leben in Würde und Selbstverantwortung führen können. Gruber: „Es muss klar herausgestrichen werden, dass die Sozialbranche ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes ist. Sie fördert den sozialen Frieden und sie verbessert die Lebensumstände der Menschen“. Um diese Erfahrung auch mit konkreten Zahlen und Fakten zu untermauern, plant die BAGS im kommenden Jahr die Veranstaltung eines Sozial-Kongresses und die Durchführung detaillierter Studien.
Branche stellt sich breiter auf
Die BAGS sieht sich als Verband der österreichischen Sozialunternehmen als DIE Branchenvertretung der Sozialwirtschaft in Österreich. Sie plant daher ein verstärktes öffentliches Auftreten.
Erich Fenninger, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der BAGS und Geschäftsführer der Volkshilfe Österreich: „Wir werden uns stärker zusammenschließen und die Sorgen und Forderungen mit gemeinsamer Kraft vertreten. Wir werden mit einer Großveranstaltung im kommenden Jahr auf den Nutzen der Sozialwirtschaft für die gesamte Gesellschaft hinweisen. Bei unseren KundInnen / AuftraggeberInnen wird die BAGS wenn notwendig auch mit öffentlichen Aktionen auf den Ernst der Lage hinweisen.“
Walter Marschitz, Stellvertretender Vorsitzender der BAGS und Geschäftsführer des Hilfswerk Österreich: „Sozialarbeit hat einen Mehrwert für die Gesellschaft, der derzeit nicht erkannt und damit bedenklich unterschätzt wird. Daher treten wir für eine angemessene Bezahlung unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, für gute Rahmenbedingungen und eine qualitative Angebotserweiterung statt einer Angebotskürzung ein.“
Rita Donabauer, BAGS-Vorstandsmitglied und Geschäftsführerin von pro mente Oberösterreich: „Nur gut ausgebildete und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind der Garant dafür, dass soziale Dienstleistungen in der erforderlichen Qualität erbracht werden können. Wir brauchen daher zum einen die Gewissheit, dass ausreichend Ausbildungsplätze geschaffen werden. Und zum anderen müssen die Rahmenbedingungen der Arbeit und das Entgelt ausreichend attraktiv sein, um Menschen für Pflege- und Betreuungsberufe gewinnen zu können.
Konkret fordert die BAGS:
- Sicherstellung der vorhandenen Betreuungsangebote, Schließung von bestehenden Versorgungsdefiziten und bedarfsgerechter Ausbau der sozialen Infrastruktur
- Anerkennung der Leistungen in den Sozialunternehmen durch Vertrags- und Planungssicherheit über längere Zeiträume.
- Berücksichtigung der kollektivvertraglichen Abschlüsse in den Leistungsabgeltungen der öffentlichen Hand und damit Sicherstellung einer adäquaten Bezahlung der Mitarbeiter-/innen.
- Kritisches Überprüfen von staatlichen Kürzungsmaßnahmen im Hinblick auf die unmittelbaren Auswirkungen auf hilfsbedürftige Menschen.
- Sicherstellung der benötigten Mittel für den Sozialbereich angesichts wachsender sozialer Herausforderungen.
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Quelle: BAGS
AutorIn: BAGS
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Arbeitsbedingungen, News
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