Zu einem erschreckenden Ergebnis kommt eine aktuelle Studie aus Deutschland. Frauen mit Behinderung und Beeinträchtigung sind zwei- bis dreimal häufiger sexuellem Missbrauch in Kindheit und Jugend ausgesetzt als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt.
Die Ergebnisse der Studie „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderung und Beeinträchtigung in Deutschland“ liegen seit kurzem vor. Damit liegen erstmalig repräsentative Daten über Umfang und Ausmaß von Gewalt bei einer bisher von wissenschaftlichen Untersuchungen wenig beachteten Gruppe vor.
Mit der Studie konnten erstmals repräsentative Daten zu Lebenssituation, Belastungen, Diskriminierungen und Gewalterfahrungen von Frauen mit Behinderungen erfasst werden. Die Befragung umfasste insgesamt 1.561 Frauen im Alter von 16 bis 65 Jahren, die in Haushalten und in Einrichtungen leben und starke, dauerhafte Beeinträchtigungen und Behinderungen haben.
Die wesentlichen Ergebnisse:
- Frauen mit Behinderungen haben ein stark erhöhtes Risiko, Opfer von Gewalt zu werden: Mit 58 bis 75 Prozent haben fast doppelt so viele Frauen im Erwachsenenalter körperliche Gewalt erlebt als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt (mit 35 Prozent).
- Von sexueller Gewalt im Erwachsenenleben waren die Frauen der Befragung etwa zwei- bis dreimal häufiger betroffen als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt (21-44 Prozent versus 13 Prozent).
- Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend tragen maßgeblich zu späteren gesundheitlichen und psychischen Belastungen im Lebensverlauf bei: Sexuelle Übergriffe in Kindheit und Jugend durch Erwachsene gaben 20 bis 34 Prozent der befragten Frauen an. Sie waren damit etwa zwei – dreimal häufiger davon betroffen als Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt (zehn Prozent).
- Psychische Gewalt und psychisch verletzende Handlungen in Kindheit und Jugend durch Eltern haben etwa 50 bis 60 Prozent der befragten Frauen erlebt (im Vergleich zu 36 Prozent der Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt).
Die Studie zeigt auch, dass Gewalt überall vorkommt, wo Menschen auf Fürsorge vertrauen. Strukturen, bei denen die Instutution über den Interessen der behinderten Menschen stehen, sind sozusagen ein Nährboden für Gewalt gegen behinderte Menschen und insbesondere Frauen.
Frauenbeauftragte: Frauen mit Lernschwierigkeiten sind Ansprechpersonen
Ein Schlüssel zur Verbesserung der Situation ist das Empowerment. Der Verein „Weibernetz“ und mit „Mensch zuerst“ haben in Deutschland vor drei Jahren das Projekt „Frauenbeauftragte“ ins Leben gerufen. Die Frauenbeauftragten haben selbst Behinderungen und haben gelernt, Mitbewohnerinnen oder Kolleginnen in Werkstätten oder Wohnheimen zur Seite zu stehen und ihnen als Ansprechpartnerin zu dienen, wenn diese Gewalt erlebt haben oder fürchten.
Frauen mit Lernschwierigkeiten, die als Frauenbeauftragte arbeiten wollen, werden vorher dafür ausgebildet und bekommen für ihre Arbeit auch eine Unterstützerin, die keine pädagogischen Aufgaben hat, das heißt sie soll nicht „mit“ der Frauenbeauftragten arbeiten, sondern für sie. Ihre Tätigkeit ist eher im Sinne der Persönlichen Assistenz im Bereich der Sprache und der Arbeitsorganisation zu verstehen. Weiters stehen einer Frauenbeauftragten Materialien zum Thema Gewalt in Leichter Sprache sowie ein Besprechungsraum, Computer, Telefon etc. zur Verfügung.
Detailierte Infos zum Projekt gibt es auf der Internetseite des Weibernetzes.
Download
Studie Uni Bielefeld Belastungen von Frauen mit Behinderungen 2011 Kurzfassung (PDF-Datei)
Links
www.weibernetz.de/frauenbeauftragte
Quelle: Universität Bielefeld
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Menschen mit Lernschwierigkeiten, News
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