Ich bin ja immer skeptisch, wenn ich von einem Film höre, bei dem das Thema Behinderung eine Rolle spielt. Vergangenen Freitag habe ich den Streifen „Ziemlich beste Freunde“, eine französische Produktion aus 2011, im Kino gesehen. Das Thema Behinderung spielt dabei eine zentrale Nebenrolle, so möchte ich das mal ausdrücken, und das ist toll daran. Die Behinderung ist immer da, aber es geht bei diesem Film um die persönliche Entwicklung von zwei total unterschiedlichen Menschen, eine Entwicklung die sich gegenseitig beeinflusst.
Driss ist ein junger Mann aus der Pariser Vorstadt. Die „Banlieus“ sind bekannt für die Perspektivenlosigkeit für deren junge BewohnerInnen. Philippe ist ein schwerreicher Mann aus bester Familie mit Wohnsitz in der Pariser Innenstadt. Nach einem Sportunfall sitzt er im Rollstuhl, vom Hals ab gelähmt. Wie es die Geschichte nun so will, wird Driss von Philippe in sein „Betreungsteam“, das aus mehreren Hausangestellten, Sekretärin, Köchin etc. besteht, aufgenommen… und das Abenteuer kann beginnen.
Eine Pointe auf die andere folgt, und man kommt streckenweise aus dem Lachen nicht mehr heraus. Dabei spielt die Behinderung meistens eine Rolle, und mit viel Ironie wird auch damit gespielt (wenn Philippe etwa einen Anfall vortäuscht, damit die beiden der Polizei entkommen). Es wird aber niemals peinlich und als behinderter Mensch fühl ich mich auch nie irgendwie komisch (wie bei diesen grässlichen Filmen, wo Behinderung immer mit Gesundwerden, Die-Behinderung-wegmachen [Klara-Syndrom aus „Heidi“] in Zusammenhang gebracht wird [z.B. auch in „Avatar“]).
Klar, dieser Film ist keine Dokumentation über das Leben mit Persönlicher Assistenz, es sind viele Situationen stark überzeichnet und vieles ist auch vereinfacht dargestellt. Aber es sind auch besondere Feinheiten drinnen, wie etwa diese Szenen, wo Driss manchen neuen Dingen, die nicht in seine Weltanschauung passen, erst total ablehnend gegenübersteht („ich zieh doch keinem Mann Strümpfe an!“), er aber schließlich doch dazu bereit ist, sie zu tun, weil das zu diesem Job gehört.
Eine der Schlüsselaussagen hat mir sehr gut gefallen: Philippe sitzt mit einem besorgten Verwandten im Café. Dieser Mann warnt ihn vor dem neuen Angestellten: „Die Jungs aus der Vorstadt kennen kein Mitleid…“. Philippe antwortet: „Das ist genau das, was ich will: kein Mitleid!“ – Und das wünschen sich alle Behinderten: Ernst genommen werden aber kein Mitleid.
Der Film basiert übrigens auf der wahren Geschichte des behinderten Geschäftsmanns Philippe Pozzo di Borgo. Laut einem Interview mit „Le Figaro“ war er sehr zufrieden mit dem Film und emotional sehr berührt…
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 09.01.2012
Artikel-Kategorie(n): Kommentare, News
Permalink: [Kurzlink]