Kein gutes Zeugnis für Österreichs Bildungssystem: Laut Prüfbericht des unabhängigen MonitoringAusschusses wird die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im Bereich inklusive Bildung aktuell nur mangelhaft umgesetzt. Teilweise gibt es sogar Rückschritte.
Am 19. Juni fand die Öffentliche Sitzung des unabhängigen MonitoringAusschuss zum Thema „Inklusionslücke Bildung: Österreich auf dem Prüfstand der UN“ statt. Der veröffentlichte Sonderbericht macht deutlich, dass Österreich den in Artikel 24 der UN-BRK festgeschriebenen Verpflichtungen zu inklusiver Bildung hinterherhinkt. Angesichts der vielen Mängel hat sich der MonitoringAusschuss entschlossen, den Sonderbericht nach Genf zur Staatenprüfung zu schicken.
Ist-Stand zeigt kontinuierliche Verletzung von Menschenrechten
Daniela Rammel und Tobias Buchner, beide vom Vorsitzteam des MonitoringAusschusses, eröffneten die Sitzung mit scharfer Kritik: „Österreich verletzt massiv die Menschenrechte im Bereich Bildung“. Obwohl sich Österreich mit der Unterzeichnung der UN-BRK zu inklusiver Bildung verpflichtet hat, weist das heimische Bildungssystem aktuell viele Mängel auf. Menschen mit Behinderungen werden im gesamten Bildungssystem – von Kindergarten über Schule bis zum Studium – kontinuierlich benachteiligt.
Stärkung von Sonderschulen, unklare Inklusionsziele
In den letzten Jahren hat Österreich im Bereich inklusive Bildung sogar Rückschritte gemacht. So ist der Anteil der Schüler:innen mit Behinderungen an Regelschulen seit 2016 österreichweit gefallen, in Wien sogar von 50% auf 45%. Statt inklusive Projekte zu fördern, werden finanzielle Mittel wieder verstärkt in den Ausbau von Sonderschulen gesteckt, in Salzburg ist der Ausbau sogar im neuen Regierungsprogramm verankert, so Puchner.
Rückschritte zeigen sich auch bei inklusiven Maßnahmen: Das vielversprechende Projekt der inklusiven Modellregionen wurde 2019 eingestellt, neue Ideen sind nicht in Sicht. „Aktuell gibt es keinen Plan zur Umsetzung der inklusiven Bildung. Auch im Nationalen Aktionsplan gibt es keine Maßnahmen, die zur Umsetzung beitragen, diese sind nur kosmetischer Natur. Es gibt keine Indikatoren, die den Fortschritt der Inklusion bemessen, wie zum Beispiel eine Inklusionsquote, wieviel Schüler:innen mit Behinderungen einen Abschluss haben“, so Rammel vom Vorsitzteam.
Betroffene müssen Inklusion meist erkämpfen
Im Rahmen der Sitzung berichteten auch viele Betroffene – auf der Bühne oder als „lebende Bücher“ (angelehnt an das Konzept der „Living Libraries“) – über persönliche Erfahrungen. Es gehe darum, dass sich Institutionen „an gehörlose Menschen anpassen, und nicht gehörlose Menschen sich an das System anpassen müssen“, kritisierte die gehörlose Badmintonspielerin Karin Neudolt die Inklusionslücken im Bildungssystem. Laura Moser betonte, welchen positiven Unterschied es macht, wenn Barrierefreiheit in der Schule gegeben ist, so wie sie es selbst erlebte.
Die Erfahrungsberichte machten deutlich, dass inklusive Bildung in Österreich kaum vorhanden ist und oft erkämpft werden muss. „Betroffene Menschen müssen immer selbst einfordern, was sie benötigen, und manchmal muss man sogar klagen oder demonstrieren – aber Österreich ist verpflichtet, Inklusion voranzutreiben und die UN-BRK umzusetzen“, so Rammel in ihrem Fazit.
Sonderbericht zur Staatenprüfung in Genf
Die Erkenntnisse wurden in einem Sonderbericht zusammengefasst, der nun zur Staatenprüfung übermittelt werden soll. Die Prüfung findet Ende August in Genf statt.
Folgend die wichtigsten Kritikpunkte des MonitoringAusschusses:
- Das separierende Sonderschulsystem wird aufrechterhalten und sogar ausgebaut
- Mangelnde Barrierefreiheit an Schulen
- Chronische Unterfinanzierung inklusive Bildung
- Menschen mit Behinderungen bei Planung und Umsetzung von Maßnahmen nicht einbezogen
- Zugang zu Studium und Lehrer:innenausbildung von Menschen mit Behinderungen erschwert
Quellen:
Öffentliche Sitzung Aufzeichnung vom 19.06.2023
monitoringausschuss.onlineveranstaltung.at
Sonderbericht inklusive Bildung
www.monitoringausschuss.at/aktuelles/sonderbericht-bildung
MonitoringAusschuss via OTS | 19.06.2023
Monitoringausschuss: Sonderbericht Inklusive Bildung zeigt die Lücken auf
www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230615_OTS0056
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 29.06.2023
Artikel-Kategorie(n): News, Schulische Integration
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