SP-Gesundheitsstadträtin vermutet Missbrauch im Pflegegeldbereich. Die Wiener Oppositionsparteien befürchten eine neue Neiddebatte und weisen auf die Bedeutung der Familie für die Pflege zu Hause hin.
Für Aufsehen sorgte jüngst eine Polemik der Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, wonach das Pflegegeld nicht dazu da sei, „um Mopeds vom Enkel zu finanzieren“. Die SP-Politikerin heizt damit die seit Monaten schwelende Diskussion um Reformen rund um das Pflegegeld erneut an. „Wir müssen schauen, wie garantiert werden kann, dass das Pflegegeld auch für Pflege, nämlich professionelle Pflege, verwendet wird“, präzisiert Wehsely gegenüber der Online-Ausabe der Tageszeitung Der Standard ihre Missbrauchsbedenken bezüglich Geldleistungen für pflegebedürftige Menschen.
Sach- statt Geldleistungen
Die Gemeindepolitikerin spricht sich dezidiert für Sachleistungen aus, womit sie auf einer Linie mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer zu liegen scheint, der schon mehrfach seine Präferenz für Sach- gegenüber Geldleistungen kundgetan hat. Weiters bringt Wehsely eine Zweckbindung des Pflegegeldes ins Spiel. Vorstellbar sei etwa, „dass die Heimhilfe für ein bestimmtes Stundenausmaß kommen muss“, um eine bestimmte Pflegestufe zu erreichen. Offenbar ist das Wohl der Pflegebedürftigen hier nicht das einzige Kriterium, denn die wahlkämpfende SP-Zukunftshoffnung, die schon mehrfach als mögliche Nachfolgerin des umstrittenen Gesundheitsministers Alois Stöger ins Spiel gebracht wurde, vergisst nicht hinzuzufügen, dass diese Maßnahme „auch zusätzliche Arbeitsplätze schaffen“ würde.
Wiener Landtagsopposition geschlossen dagegen
Von ÖVP, FPÖ und Grünen kam postwendend massiver Widerstand. Die Wiener ÖVP-Behindertensprecherin Praniess-Kastner vermutet Wahltaktik hinter Wehselys Vorstoß: „Das Pflegegeld wurde geschaffen, um Menschen die Führung eines selbstbestimmten Lebens zu ermöglichen. Es ist daher absolut abzulehnen, das Prinzip der Wahlfreiheit aus budget- und wahltaktischen Gründen aufzugeben.“ Grünen-Sozialsprecherin Sigrid Pilz sieht eine „Sozialschmarotzerdebatte“ heraufziehen und unterstellt der Gesundheitsstadträtin „sachliche Unkenntnis und soziale Kälte“. Ins gleiche Horn stößt FPÖ-Behindertensprecher Norbert Hofer, der eine „widerwärtige Neiddebatte“ ausmacht. Dessen Parteikollegin Dagmar Berlakowitsch-Jenewein weist darauf hin, dass nach den Vorschlägen Wehselys die Pflege zuhause massiv erschwert werden könnte: „Ohne Hilfe der Angehörigen wäre für viele alte und behinderte Menschen kaum ein menschenwürdiges Leben möglich.“ Auch innerhalb der SPÖ scheint die Wortmeldung Wehselys nicht nur auf Gegenliebe zu stoßen, so stellte Gemeinderat Wagner umgehend klar: „betreut das zitierte Enkerl die Großeltern, steht ihm natürlich Pflegegeld zu.“ Ob es sich bei Wehselys Aussage um reines Wahlkampfgetöse handelt, oder ob sich handfeste Verschärfungen dahinter verbergen, wird sich wohl erst nach der bevorstehenden Gemeinderatswahl in Wien beurteilen lassen.
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 26.08.2020
Artikel-Kategorie(n): News, Pflegegeld und Pflegevorsorge
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