Lebenshilfe-Präsident Weber fordert raschen Gesprächstermin mit Behindertenverbänden
Nur wenig Verständnis zeigt die Lebenshilfe für die Argumentation von Sozialminister Hundstorfer im gestrigen Sozialausschuss, in dem er erneut die gestiegenen Kosten für die 24-Stunden-Pflege als Grund für den erschwerten Zugang zum Pflegegeld rechtfertigte. „Für tausende Menschen wird der Zugang zum Pflegegeld sehr viel steiler. Die Absicherung der Pflege mit dem Mittel des Ausschlusses entspricht nicht dem Prinzip der Inklusion“, kommentiert Lebenshilfe-Präsident Weber die Pläne des Sozialministers. „Für viele ist das Pflegegeld ein wesentliches Hilfsmittel für gesellschaftliche Teilhabe und eine wichtige Risikoabgeltung.“
Besonders Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, die ja in der Regel keine 24-Stunden-Pflege, aber sehr wohl eine Begleitung im Alltagsleben durch Angehörige benötigen, werden jetzt massiv benachteiligt. Ein großer Teil hat meist Pflegestufe 1 oder 2. Da war es schon bisher ein Problem, die nötige Alltagsbetreuung geltend zu machen und nicht nur die rein pflegerischen Tätigkeiten. Daher besteht für sie eine große Schwierigkeit, die bei der geplanten Novelle nötige Stundenanzahl zu erlangen. „Die neuen Zugangskriterien zur Pflegestufe 1 und 2“, betont Lebenshilfe-Präsident Germain Weber, „gehen massiv zu Lasten der Menschen mit Lernschwierigkeiten und ihrer Angehörigen. Sie sind oft dringend auf einen Zuschuss für Hilfeleistungen angewiesen und werden erneut vor erhebliche Hürden gestellt.“
Die Pflege von Angehörigen mit Beeinträchtigungen ist neben körperlichen und seelischen Belastungen oft mit finanziellen Problemen verbunden. Friederike Pospischil, Präsidentin der Lebenshilfe Niederösterreich und selbst Mutter eines behinderten Sohnes: „In vielen Fällen reicht das Pflegegeld nicht aus, um einen erhöhten, tatsächlichen Hilfebedarf abzudecken und so ein selbständiges Leben zu ermöglichen. Dass gerade die frühzeitige Begleitung durch Angehörige einen enormen Beitrag für ein möglichst lange selbstbestimmtes Leben leiste, wird mit der Neuregelung völlig vergessen.“
Die geplante Änderung im Pflegesystem sieht vor, dass Pflegegeld der Stufe eins erst ab einem Pflegebedarf von 65 Stunden bezahlt wird, bei der Pflegestufe zwei erst ab mehr als 95 Stunden. Bisher war hier das Limit bei 85 Stunden. Diese Anhebung der Stundensätze bei den Pflegestufen 1 und 2 ist schon ab 2015 angedacht, eine Valorisierung erst ein Jahr später – und auch sie nur einmalig. „In diesem Zusammenhang von einer sozial verträglichen und ausgewogenen Lösung zu sprechen, ist für uns nicht nachvollziehbar“, meint Präsident Weber. „Warum müssen schon wieder pflegebedürftige Menschen für das Stopfen budgetärer Löcher herhalten?“
Neben der Verschärfung der Pflegebedürftigkeit sind für die Lebenshilfe die politischen Begleitumstände besonders ärgerlich: „Es ist kein Zeichen für die Teilhabe behinderter Menschen, wenn überfallsartig und ohne jegliche Einbeziehung der Behindertenorganisationen eine wesentliche Grundlage für die Begleitung von Menschen einfach gekappt werden soll. Es ist eine politische Unkultur, dass wir erst im Nachhinein Stellung nehmen können und nicht von vorneherein in die Entstehung von Gesetzen die Menschen direkt betreffen einbezogen werden“, empört sich Lebenshilfe-Generalsekretär Brandstätter. „Die von der Novelle angestrebten Wirkungen zeigen auch den eigentlichen Geist des Gesetzes: Sachleistungen statt Geldleistungen und die Entlastung der Landesbudgets. Statt der Menschen werden Budgets entlastet!“
Die Lebenshilfe Österreich fordert daher
- die Beibehaltung der bisherigen Regelung;
- eine ganzheitliche Begutachtung, bei der auch Nicht-MedizinerInnen zu Wort kommen;
- eine automatische jährliche Anpassung des Pflegegeldes an die Inflationsrate und nicht nur eine einmalige Valorisierung 2016 und
- die Beibehaltung der Geldleistung als Absicherung und als Hilfestellung für eine selbstbestimmtere Lebensführung.
„Es müssen die Menschen mit Beeinträchtigungen ins Zentrum gerückt werden. Dazu bedarf es mehr als eine Ad-hoc-Novelle, sondern intensive Gespräche unter Einbeziehung aller Beteiligten“, so Präsident Weber abschließend. „Daher ersuchen wir den Sozialminister dringend um einen Gesprächstermin mit VertreterInnen der Behindertenorganisationen, der Menschen mit Beeinträchtigungen und ihrer Angehörigen“.
Quelle: APA OTS
AutorIn: Lebenshilfe Österreich
Zuletzt aktualisiert am: 01.06.2015
Artikel-Kategorie(n): News, Pflegegeld und Pflegevorsorge
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