Palleativversorgung soll flächendeckend ausgebaut werden; Vorsorgeinstrumente (z.B. Patientenverfügung) sollen besser zugänglich gemacht werden; unverhältnismäßige medizinische Interventionen sollen vermieden werden.
Die Bioethikkommission hat vergangene Woche ein Papier zum Thema „Sterben in Würde“ veröffentlicht. Aufgabe der Bioethikkommission ist die Beratung des Bundeskanzlers in allen gesellschaftlichen, naturwissenschaftlichen und rechtlichen Fragen aus ethischer Sicht, die sich im Zusammenhang mit der Entwicklung der Wissenschaften auf dem Gebiet der Humanmedizin und -biologie ergeben.
Die Stellungnahme empfiehlt im Wesentlichen fünf Punkte, die im Zusammenhang mit einem Sterben in Würde gesetzlichen Änderungen bzw. Verbesserungen bedarf:
- Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung
- Verbesserungen bei der Vorsorge für Entscheidungen am Lebensende (Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Sachwalterverfügung u.a.)
- Vermeidung von unverhältnismäßigen medizinischen Interventionen
- In Ausnahmefällen Ermöglichung des Assistierten Suizids
- Keine Änderung bei „Tötung auf Verlangen“
Flächendeckender Ausbau der Palleativversorgung gefordert
Einigkeit herrscht in der Kommission beim Thema Palleativversorgung. Ein Ausbau der Unterstützung von Patienten und Angehörigen am Ende des Lebens wird empfohlen.
Die Palliativ- und Hospizversorgung muss entsprechend den bereits vorhandenen Konzepten und Strukturplänen bundesweit flächendeckend ausgebaut werden, um den erwähnten Rechtsanspruch auch durchsetzen zu können. Der Zugang zu Palliative Care am Lebensende darf nicht vom Wohnort oder den finanziellen Möglichkeiten des Betroffenen abhängig sein.
Eine wirkungsvolle Schmerztherapie und andere Hilfestellungen am Ende des Lebens sollen bereits präventiv verhindern, dass es bei Patienten zu einem Wunsch nach der Herbeiführung des Todes kommt.
Vorsorgeentscheidungen verbessern
Die Kommission empfiehlt eine Förderung der Vorsorge für (medizinische) Entscheidungen am Lebensende. So sollen etwa die finanziellen und die bürokratischen Hürden bei der Erstellung einer Patientenverfügung verringert werden.
Keine unverhältnismäßigen medizinischen Interventionen
Weitgehend einig ist sich die Bioethikkommission bei der Empfehlung, dass medizinische Interventionen, die keinen Nutzen für einen Patienten erbringen oder deren Belastung für den Patienten größer ist als ein eventueller Nutzen und die am Lebensende zu einer Verlängerung des Sterbeprozesses führen können, nicht zu rechtfertigen sind.
Assistierter Suizid
Der § 78 StGB (Strafgesetzbuch) stellt die Mitwirkung am Selbstmord derzeit unter Strafe. Die Mehrheit der Mitglieder der Bioethikkommission spricht die Empfehlung aus, die Mitwirkung am Selbstmord, den assistierten Suizid, unter bestimmten Umständen straffrei zu stellen.
Es wird […] eine Reform des § 78 StGB empfohlen, die sowohl dem Prinzip der Aufrechterhaltung der sozialen Norm der Suizidprävention, als auch dem Schutz vor Fremdbestimmung vulnerabler Personen Rechnung trägt, jedoch ebenso eine individuelle Hilfe in Ausnahmefällen zulässt.
Weiter schreibt die Kommission:
Darüber hinaus sollte die Hilfeleistung durch Ärzte beim Suizid in bestimmten Fällen entkriminalisiert werden, um es letztlich dem Patienten zu ermöglichen, offen mit dem Arzt über seine Situation zu sprechen, ohne gleich fürchten zu müssen, aufgrund akuter Selbstgefährdung zwangsweise untergebracht zu werden. Diese straffreie Hilfeleistung beim Suizid sollte in allen Fällen auf volljährige und einwilligungsfähige Personen begrenzt sein und deren ernsthaftes Verlangen erfordern.
Die Meinung, dass der assistierte Suizid in Ausnahmefällen straffrei werden soll, vertreten 16 Mitglieder der Bioethikkommission.
Einer abweichenden Meinung sind 8 Kommissionsmitglieder. Sie empfehlen keine Abänderung des § 78 StGB. Argumentiert wird damit, dass das Gewissensproblem für damit nicht gelöst werden könne und dass eine Aufweichung des Sterbehilfeverbots weitreichende negative Auswirkungen auf die Gesellschaft hinsichtlich des Umgangs mit kranken und sterbenden Menschen haben würde.
Eine Änderung des § 78 StGB, die einfach bestimmte Ausnahmetatbestände einfügt, ohne gleichzeitig all diese Folgeprobleme in den Blick zu nehmen, würde damit dem ethischen Kernanliegen, nämlich Angehörige und Ärzte in einer gegebenenfalls vorhandenen Gewissensnot zu entlasten – nicht gerecht werden. Nach wie vor würden diese in rechtliche Verfahren verwickelt, wenn das Vorliegen der Ausnahmetatbestände auch ernsthaft geprüft werden soll. Im Gegenteil signalisiert eine Straffreistellung der Suizidbeihilfe auf gesetzlicher (d.h. allgemein-abstrakter) Ebene, dass es sich bei der Suizidbeihilfe um einen Normalfall der Sterbebegleitung handelt. Die gesellschaftlichen Wirkungen eines solchen Signals sind bislang nicht ausreichend analysiert worden.
Tötung auf Verlangen
Die große Mehrheit der Kommission vertritt die Meinung, dass der § 77 StGB „Tötung auf Verlangen“ nicht geändert werden soll. Lediglich ein Kommissionsmitglied spricht sich dafür aus, diesen Paragraphen anzupassen, da es sonst Überschneidungen mit dem Tatbestand des assistierten Suizids geben könnte.
Zusammenfassung
Es kann zusammenfassend gesagt werden, dass die Bioethikkommission mit dieser Stellungnahme ein Tabu bricht. Es wird zwar ein starker Wert auf Palleativ- und Hospitzversorgung gelegt, und die Wichtigkeit der medizinischen Versorgung und des menschlichen Beistands bis zum Tod wird hervorgehoben, es wird jedoch auch empfohlen, Hilfe zum Sterben durch assistierten Suizid gesetzlich zu ermöglichen. Bisher war das in Österreich nicht möglich, in Ländern wie der Schweiz oder in den Niederlanden ist dies bereits Praxis.
Nun liegt es an der Politik und den Gesetzgebern, ob und wie diese Empfehlung in die nächsten Gesetzesänderungen einfließen wird.
Download
Empfehlungen zur Begleitung und Betreuung von Menschen am Lebensende und damit verbundenen Fragestellungen, Stellungnahme der Bioethikkommission vom 9. Februar 2015:
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[Bundeskanzleramt – Bioethikkommission]
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Eugenik und Menschenwürde, News
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