Die Ausgrenzung behinderter Kinder in Sonderschulen stellt eine Menschenrechtsverletzung dar. Trotzdem hält die österreichische Politik an der Segregation fest. Menschenrechtsorganisationen und BehindertenaktivistInnen laufen Sturm. Schweden zeigt wie’s besser gemacht wird.
Rund 13.000 Schülerinnen und Schüler werden in Österreich in Sonderschulen unterrichtet. Das sind genau 13.000 zu viel, wenn man der UN-Menschenrechtskonvention folgt. Die Menschenrechtsexpertin Marianne Schulze fordert deshalb rasch konkrete Schritte. Die jüngst beschlossene Ausweitung der Integration auf die neunte Schulstufe sind eindeutig zu wenig weit. Sie fordert eine gänzliche Aufhebung der Segregation behinderter Menschen.
Dramatische Konsequenzen verabsäumter Integration
Ins gleiche Horn stößt die Behindertensprecherin der Grünen, Helene Jarmer: „Diese Aussonderung muss so rasch wie möglich beendet werden.“ Jarmer weist darauf hin, dass eine verabsäumte Integration im Schulbereich weitreichende Folgen im späteren Leben der behinderten Menschen hat: „Die Konsequenzen getrennter Bildung sind eine mangelnden Inklusion in der Gesellschaft, schlechte Berufschancen und eine hohe Armutsgefährdung.“ Die Sonderschule bildet nicht ausreichend für den ersten Arbeitsmarkt aus, die Konsequenz ist die Abschiebung in staatliche Programme: „Meist folgt auf die Sonderschule die sogenannte Beschäftigungstherapie, dies ist eine der schlimmsten Auswirkungen eines aussondernden Bildungssystems.“
Vorbild Schweden
Wie der Weg in eine umfassende Integration beschritten werden kann, exerziert seit vielen Jahren Schweden erfolgreich vor. Im Land mit der längsten Tradition im Integrationsbereich sind SchülerInnen ohne Behinderung, lernschwache und behinderte Kinder unter einem Dach vereint. Unterrichtet wird überwiegend im gemeinsamen Klassenverband. Lernschwache Kinder erhalten zusätzliche Förderung durch sogenannte GrundsonderschullehrerInnen. Schwer behinderte SchülerInnen, die nicht Lesen und Schreiben erlernen können, werden nach einem speziellen Lehrplan der Trainingsschule unterrichtet. Ziel ist es, später größtmögliche Selbstbestimmung in einem eigenständig geführten Leben zu erreichen. Nach der Schulpflicht gibt es die Möglichkeit, an Gymnasien weiter unterrichtet zu werden. Auch dort stehen speziell ausgebildete LehrerInnen gemeinsam mit dem übrigen Lehrpersonal zur Betreuung behinderter Kinder zur Verfügung.
Kostenfalle oder langfristiger Nutzen?
Kostenintensiver erscheint das schwedische Modell auch nur auf den ersten Blick. Tatsächlich kostet die Segregation überproportional viel, da jedes sonderpädagogische Zentrum extra Verwaltungs- und Overheadkosten verursacht, die im Falle der Integrationsschule von der regulären Schuladministration aufgefangen werden. Da eine geglückte Integration auch die Integration in den ersten Arbeitsmarkt erleichtert, rentieren sich Investitionen hier auch langfristig. Und schließlich profitiert eine Gesellschaft insgesamt, wenn sie sich dazu entschließt, Menschenrechte umfassend zu respektieren, auch und gerade für Menschen mit Behinderung.
Quelle: APA
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): News, Schulische Integration
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