Politik und Verwaltung erfüllen seit Jahren die Forderungen behinderter Menschen nach Persönlicher Assistenz nicht. Eine These dazu als Kommentar von Thomas Stix.
Für behinderte Menschen ist schon lange klar, was der Unabhängige MonitoringAusschuss zur Überwachung der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention dieser Tage in seiner Stellungnahme sagt: Behinderte Menschen müssen das Recht auf Persönliche Assistenz bekommen!
Die Frage ist: Warum ist dies nicht schon längst der Fall? Warum zögern die Verantwortlichen (Gesetzgebungen und Verwaltungen) derart und schieben Entscheidungen in Richtung eines Paradigmenwechsels (welch abgedroschenes Wort!) so konsequent hinaus? Offenbar war und ist die klassische institutionalisierte Behindertenhilfe das bequemste für Politik und Verwaltung, warum würde sonst derart hartnäckig daran festgehalten werden?
Sogar Institutionen sehen schon ein, dass die Behindertenhilfe nicht mehr zeitgemäß ist. Die neu gegründete IVS Wien – ein Zusammenschluss von namhaften Sozialdienstleistern – fordert die Umsetzung der UN-Konvention und ein Umdenken in Richtung personenorientrierter Unterstützung, was letztendlich bedeutet: ein Persönliches Budget für behinderte Menschen zur Finanzierung bedarfsgerechter Hilfen.
Man möchte denken: Was ist da los? Wollen sich die Institutionen selbst abschaffen? Wie kommt’s, dass sie derartige Forderungen stellen?
Meine These dazu:
Ein Umstellen der Behindertenhilfe auf ein de-institutionalisiertes System würde zur Folge haben, dass viel mehr behinderte Menschen als bisher Behindertenhilfe in Anspruch nehmen würden. (Jetzt überlegt es sich eine Familie bzw. Mutter doch zweimal, ob sie das behinderte Kind „weggeben“ soll oder ob es doch mit dem Pflegegeld irgendwie geht…) Und eine solche Verbesserung der Behindertenhilfe bedeutet im Endeffekt auch für Sozialunternehmen mehr Arbeit – auch wenn sie ihr Angebot sukzessive von stationär auf ambulant umändern müssen.
Für den Staat würde das jedoch eine Kostensteigerung bedeuten, da dann viel weniger Billigstarbeitskräfte (Verwandte, Bekannte, Freunde) die notwendige Unterstützungsleistung erbringen müssten, sondern behinderte Menschen in der Lage wären, sich notwendige Assistenz und andere Hilfen einzukaufen.
Derzeit wird ein kleiner Teil der Hilfen für behinderte Menschen mit Persönlicher Assistenz abgedeckt, ein größerer von Institutionen aber der größte unentgeltlich von Angehörigen und Freunden. Bei einer Umstellung des Systems würde dieser größte unentgeltliche Teil durch bezahlte Hilfen (Assistenz, Betreuung, was auch immer) ersetzt werden. Und das ist genau jene Änderung, vor welcher der Staat Angst hat, aber es ist auch jene, die endlich eintreten muss! Nicht zuletzt die UN-Konvention schreibt es vor.
Links:
behindertenarbeit.at – Stellungnahme des Monitoringausschusses zur Persönlichen Assistenz
www.bizeps.at – Interview Martin Ladstätter mit IVS Wien
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 04.06.2015
Artikel-Kategorie(n): Kommentare, News
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