Die ABAk (Arbeitsvermittlung für AkademikerInnen mit Behinderungen und/oder chronischer Erkrankung) unterstützt bei der Arbeitssuche. Thomas Stix sprach mit Mark Wilson über Gleichstellung am Arbeitsmarkt, Hürden beim Bewerbungsverfahren, verbesserungswürdiges Diversity-Management und mehr…
Thomas Stix, behindertenarbeit.at: Warum brauchen akademisch gebildete Menschen ein derartiges Unterstützungsagebot?
Mark Wilson, ABAk: Es gibt in Wien lt. einer Statistik vom AMS ca. 160 Akademiker/innen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Diese gesundheitlichen Einschränkungen sind aber noch nicht gleichzusetzen mit den 50% Grad der Behinderung. Und uns gibt’s, weil es den Bedarf gibt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es ist so, dass eine akademische Ausbildung einem schon größere Möglichkeiten am Arbeitsmarkt bietet, dass aber auch – und das ist unsere Erfahrung – gerade diese höhere Ausbildung auch eine Hürde sein kann, weshalb es in manchen Fällen nicht einfach ist einen adäquaten Job zu finden. Vermutlich ist es so, dass weniger qualifizierte Stellen leichter vergeben werden als Stellen mit hoch qualifizierten Anforderungen. Da muss ich an einige Gesprächstermine mit dem Personalverantwortlichen einer großen Versicherung denken, der mir gesagt hat: Wenn Sie eine Stelle für einen Akademiker ausschreiben, bekommen Sie zw. 200 und 250 Bewerbungen. Seine Frage: Warum soll ich dann einen nehmen, der eine Einschränkung hat? Meine Antwort war: Weil er’s kann! Und unsere Arbeit besteht darin, dass wir die Akademiker/innen dabei unterstützen, dass sie überzeugend in einem Bewerbungsverfahren bestehen können, und dass wir gemeinsam passende Stellen finden.
Was ist das Spezielle daran, so ein Service für Akademiker/innen anzubieten?
Für Akademiker/innen ist es ein spezifischeres Suchen nach Stellen, und dass es bei Personen, die bereits Berufserfahrung haben, die oft dann mit sehr konkreten Vorstellungen kommen, dass man das in eine Übereinstimmung bringt mit den Gegebenheiten des Arbeitsmarkts. Manche Klient/innen brauchen Unterstützung bei der Optimierung der Bewerbungsunterlagen, andere hätten gern, dass ABAk den Erstkontakt mit potentiellen Arbeitgeber/innen aufnimmt, andere wiederum sagen, sie brauchen Unterstützung bei der Stellenanzeigen-Recherche, und in der Regel jede/r will wissen, wir er/sie mit ihrer Behinderung oder chronischen Erkrankung im Bewerbungsprozess umgehen.
Wie arbeitet die ABAk?
Wir arbeiten nach dem Peer-Prinzip, d.h. alle Berater/innen bei ABAk sind selbst behindert oder chronisch krank und haben ein Studium abgeschlossen. Ein Beratungsprozess kann bis zu 6 Monate dauern. Idealerweise beginnt die Beratung kurz – etwa ein Monat – vor dem Abschluss des Studiums. Wir unterstützen aber auch Personen, die bereits mit dem Studium fertig sind und Berufserfahrung haben, die etwa verursacht durch einen Unfall oder eine Erkrankung nun zu unserer Zielgruppe gehören.
Wann endet der Unterstützungsprozess der ABAk?
Unsere Unterstützung endet dann, wenn der erste Arbeitstag beginn.
Gibt es von der AbAk auch Unterstützung z.B. bei der Adaptierung des Arbeitsplatzes, oder macht das jemand anders?
Wir können über Unterstützungsmaßnahmen zur Arbeitsplatzgestaltung informieren oder auch weitervermitteln. Oder es gibt auch vom ÖGB Chancen-Nutzen-Büro spezielle Seminare zur Sensibilisierung von Mitarbeiter/innen. Sowas kann man dann, wenn es der Arbeitgeber wünscht, zur Vorbereitung eines Jobeinstiegs einer Person mit Behinderung anregen.
Warum ist es offenbar noch immer so, dass Nicht-Behinderte gegenüber behinderten Menschen bei der Jobvergabe bevorzugt werden, obwohl es vom Diversitäts-Gedanken her sogar umgekehrt sein soll?
Dieser Diversitäts-Gedanke hat sich leider in vielen Bereichen noch nicht so durchgesetzt. Es sind sehr oft größere Firmen, in der Privatwirtschaft internationale Konzerne, die das von der Zentrale vorgeschrieben bekommen, die dann einmal auf die Idee kommen, dass sie einmal eine/n Mitarbeiter/in mit Behinderung anstellen könnten… über diese Schiene geht das manchmal. Bezüglich Diversity Management muss ich sagen, das ist eine positive Entwicklung, die Vielfalt in einem Unternehmen als Bereicherung zu erkennen und nutzbar zu machen, in der Praxis hab ich aber manchesmal den Eindruck, dass einige Unternehmen sich sehr auf bestimmte Gruppen fokussieren, speziell auf Frauen oder ältere Arbeitnehmer/innen sind solche, die mit speziellen Programmen unterstützt werden. Da ist dann eine gewisse Überzeugungsarbeit wichtig, um klar zu machen, es gibt auch die behinderten Menschen, die es einzubeziehen gilt.
In Stellenanzeigen liest man eher selten, dass bei gleicher Qualifikation behinderte Menschen bevorzugt werden…
Es ist eher zu lesen: Wir freuen uns über die Bewerbung von Menschen mit Behinderung.
Ich sehe beim Bewerbungsprozess eines behinderten Menschen prinzipiell zwei „Problemfaktoren“. Einerseits bestehen Vorurteile seitens des/der Arbeitgeber/in, andererseits wird es aber auch an der behinderten Person selbst liegen, dass sich diese weniger zutraut…
Es ist schon so, dass wir in unserer Arbeit die Klient/innen motivieren, das nennt sich auch Empowerment. Wir machen unsere Klient/innen aufmerksam auf Ihre Möglichkeiten, Stärken und Rechte. Das ist schon häufig Thema unserer Beratung.
Stichwort: Rechte. Ist das Gleichstellungsrecht auf diesem Gebiet wirkungsvoll?
Das hat es bei uns bei einem Bewerbungsverfahren bis jetzt noch nicht gegeben, dass jemand ein Schlichtungsverfahren angestrengt hat. Mir sind aber sehrwohl Jobabsagen bekannt, die meiner Ansicht nach eindeutig einen Diskriminierungstatbestand erfüllt hätten.
Warum wehren sich in diesem Fall die Leute nicht mit den zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln?
Also, in einem konkreten Fall war es dann so, dass von Seiten der behinderten Person gesagt wurde, sie will nicht irgendwo als Querulant bekannt werden. Es ist in der Beratung besprochen worden, dass es rechtliche Möglichkeiten gäbe, aber die Person hat sich dagegen entschieden.
Denken Sie, rechtliche Schritte machen Sinn? Was wäre etwa mit einer Strategie der behinderten Menschen, die Firmen mit Klagen „einzudecken“, damit dann endlich ein Umdenken stattfindet?
Ich denke, dass situativ unterschiedlich zu bewerten ist. Ich hab die Befürchtung, dass das im Bereich des Arbeitsmarkts weniger bringt, weil da die/der Arbeitgeber/in immer am längeren Ast sitzt. Die Gründe für die Absagen sind ja immer vielfältiger, weil die auf keinen Fall wollen, dass irgendwie rauskommt, dass der/die Bewerber/in auf Grund der Behinderung nicht genommen wurde. Somit ist die Beweisführung sehr schwierig. Aus diesem Grund glaube ich, dass das „Werkzeug“ des Schlichtungsverfahrens – die Möglichkeit, die eine Einzelperson hat – im Bereich Arbeit nicht so durchsetzungsstark ist.
Die Beweisführung bei einer baulichen Barriere ist da schon einfacher…
Ein ganz aktuelles Beispiel. Von einer verantwortlichen Abteilungsleiterin, die geschrieben hat, sie dankt für die Bewerbung von so qualifizierten Personen, sie ist aber nach Durchsicht der Unterlagen zu dem Standpunkt gelangt, dass die Person überqualifiziert ist, und dass sie dieser Person nicht ein entsprechendes Leistungsangebot bieten kann… Das ist sicher auch eine Schwierigkeit, mit der unsere Klient/innen zu kämpfen haben, wenn man so Absagen bekommt, die oft Standardantworten sind, dann hat man kein Feedback, das einem weiterhelfen könnte.
Was machen hoch qualifizierte Behinderte, die keinen Job finden?
Es hängt davon ab, wie lange sie schon Arbeit suchen und wie die finanziellen Rahmenbedingungen sind. Ich kenne Fälle, da wurde dann die Berufsunfähigkeitspension beantragt, oder sie beziehen Mindestsicherung oder bekommen weiterhin familiäre Unterstützung.
Meine These ist ja, und darüber hab ich auch einen Artikel geschrieben, dass viele behinderte Menschen unentgeltlich arbeiten, und das sind oft sehr hoch qualifizierte Personen, die eine Mindestpension oder Mindestsicherung beziehen und halt ehrenamtlich sehr hoch qualifizierte Arbeit leisten… was irgendwie seltsam ist. Mir fallen da auf Anhieb zehn Personen ein – Ihnen wahrscheinlich auch – wo ich mich frage, warum sitzt der/die nicht in einem Unternehmen im mittleren oder höheren Management…?
Ja, ich kann das bestätigen. Ich glaube überhaupt, dass das so ein Zeichen der Zeit ist, und es ist kein gutes, dass da sehr viel über unentgeltliche Praktika etc. läuft. Wo man den Leuten dann verspricht, es besteht die theoretische Chance, dass nach einer gewissen Zeit ein Anstellungsverhältnis draus wird… Und die Leute hoffen drauf, und sie strengen sich wirklich an, und dann werden sie wieder rausgekickt.
Ja, das ist ein generelles Problem, kein behinderungsspezifisches, oder?
Sicher ist es ein generelles Problem, aber es betrifft behinderte Menschen umso mehr, da ihre Notlage als Arbeitssuchende oft größer ist. Ich kenn da Fälle, wo wirklich gefeilscht wird um Wochen gratis Arbeit.
Der erhöhte Kündigungsschutz wurde geändert (er tritt erst nach vier Jahren in Kraft). Ein Vorteil für Akademiker/innen im Vergleich zur vorherigen Regelung?
Die Aussetzung des Kündigungsschutzes wurde schon seit vielen Jahren von der Wirtschaft gefordert. Der von einigen erwartete positive Effekt betreffend Neuanstellung von Menschen mit Behinderungen ist mir noch nicht aufgefallen. Es war ja auch schon in der Vergangenheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich – etwa durch eine einmalige Befristung des Dienstvertrags – zu schauen, ob sie miteinander können und ob es passt. Ich denk daher, dass die Aussetzung des Kündigungsschutzes jetzt nicht derart viel an Veränderung bringen wird.
Zum Abschluss: Welchen Tipp haben Sie für behinderte Menschen, die gerade studieren, um die Chancen auf einen künftigen Arbeitsplatz zu verbessern?
Ganz wichtig ist es, während des Studiums schon Praktika oder Nebenjobs (z.B. in den Ferien) zu machen. Diese müssen auch nicht unmittelbar etwas mit dem Studium zu tun haben, aber es signalisiert neben hohem Engagement, dass der/die Bewerber/in schon Verantwortung übernommen hat und auch mit der Belastung zurecht gekommen ist, was ein großer Vorteil bei der Bewerbung ist.
Ich danke für das Gespräch.
Das Projekt ABAk wird gefördert vom Bundessozialamt – Landesstelle Wien.
Link:
www.abak.at
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 16.06.2017
Artikel-Kategorie(n): Arbeitsintegration und unterstützte Beschäftigung, News
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