Der Arbeitsbereich Inklusive Pädagogik des Zentrums für Lehrer*innenbildung veranstaltete am 23. Juni 2023 das Inclusive Pedagogy Fest. Thema war Inklusion in Schule und Arbeitswelt. Behindertenarbeit.at war dabei.
Bei der Tagung zu Gast war Prof. Dr. Geert Van Hove, Professor für Disability Studies and Inclusive Education der Ghent University in Belgien. Die Veranstaltung startete mit einer Keynote von ihm und Dr. Katharina Felbermayr von der Universität Wien.
Die beiden setzten sich intensiv mit dem Thema „Übergang von der Schule zum Job“ in Bezug auf Menschen mit Behinderungen auseinander, und präsentierten ihre Einblicke unter dem Titel “From School to the Adult World: Towards Full Citizenship with(out) a Job?”, wobei Van Hove sich auf die Umstände in Belgien, und Felbermayr auf Österreich konzentrierte. Dadurch konnte ein sehr interessanter Vergleich zweier europäischer Länder gelingen.
Inklusion muss größer gedacht werden
Van Hove erklärte zunächst, dass in Belgien ein großer Teil der jungen Menschen mit Behinderungen in Sonderschulen lernt – ähnlich wie in Österreich, wenn auch der Anteil dieser hierzulande um einiges geringer ist. Er führt weiter aus, dass Belgien in der Vergangenheit generell bezüglich „Inklusion“, in Form von Aufteilungen in „special needs“ und dem Rest Vorreiter war und (auch noch) ist. Doch ist das tatsächlich Inklusion?
Weiters wurde darauf eingegangen, dass Belgien, Österreich und auch alle anderen Länder außerdem noch Teil eines größeren System sind – sie existieren nicht nur als autonome Staaten, sondern sind zum Beispiel Teil der EU, Teil der UNO etc.
Diesbezüglich argumentiert Van Hove, dass „unter dem Dach“ dieses Systems ein gewisses „social investment paradigma“ herrsche. Konkret bedeutet dies, dass Investitionen in Menschen gesetzt werden, mit dem Ziel aus ihnen gute Arbeitskräfte zu machen. Diese Sicht hat immense Auswirkungen auf das Schulsystem bzw. auf die Möglichkeiten, die wir jungen Menschen geben. Wenn der Fokus auf Gewinnmaximierung liegt, wie sollen da Menschen mit Behinderung mithalten können? Wie kann in dieser Denkweise sozialer Profit möglich sein?
Initiative über Initiative und keine großen Veränderungen
Van Hove erklärt, dass seit jeher nicht viel mehr als kleine Schritte getan worden sind. Es fehle an gesetzlichen Richtlinien, die auch einzuhalten sind. Mehr als große Worte finden sich selten.
Er demonstriert dies am Beispiel Belgien: Dieses hat im Jahr 2020 verkündet, dass von nun an drei Prozent der Arbeitsstellen, die der Staat vergibt – so beispielsweise administrative Tätigkeiten – an Menschen mit Behinderungen gehen müssten. Wie zu erwarten, sieht die Situation im Jahr 2023 nicht anders aus.
Dasselbe lässt sich auch auf die UN-Behindertenrechtskonvention beziehen – seit 2008 unterzeichneten 186 Staaten eben diese – konkrete Veränderungen im Umgang mit Menschen mit Behinderungen sind jedoch nicht zu beobachten.
Wieviel sind (uns) Menschen mit Behinderung wert?
Eben dieser Umstand stößt auch beim abschließenden Teil der Veranstaltung auf Unzufriedenheit. Bei einer Podiumsdiskussion wurden verschiedenste Aktivisten und Menschen aus der Sphäre eingeladen, sich zu den eben besprochenen Themen und Ähnlichem zu äußern, und zu diskutieren.
Dabei waren Selbstvertreter des SelbstvertretungsZentrums Wien, der Bildungsdirektor Mag. Heinrich Himmer, Aktivisten der „Initiative 11./12. Schuljahr“ und von „Bessere Schule Jetzt!“ und einige mehr anwesend.
Hauptkritikpunkt war eben genau der Umstand der Kurzweiligkeit von beschlossenen „bindenden“ Richtlinien und Gesetzen wie der UN-Behindertenrechtskonvention. Wie am Beispiel Belgien schon demonstriert, sieht die Situation in Österreich auch nicht besser aus. Bürgerinitiativen kämpfen seit Jahren für Verbesserungen – mehr Ausbildungsplätze für Inklusive Pädagogik, bessere Arbeitsbedingungen, ein Recht auf ein 11. und 12. Schuljahr für alle, und vieles mehr.
Gleichzeitig ist es Firmen weiterhin möglich Ausgleichszahlungen zu tätigen, um Menschen mit Behinderungen nicht anstellen zu müssen – ob man hierbei von Inklusion bzw. überhaupt von einem menschlichen Umgang mit Mitmenschen sprechen kann, das sei dahingestellt.
Insgesamt müssen wir uns als Gesellschaft die Frage stellen, ob uns die hochgepriesene Egalität aller Menschen hinsichtlich ihrer Menschlichkeit wirklich ein Anliegen ist – können wir tatsächlich weiterhin Menschen in separaten Einrichtungen, in separaten Räumen, separat von allen anderen denken?
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 25.06.2023
Artikel-Kategorie(n): News, Schulische Integration
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