In der Pflege und Betreuung arbeiten unterschiedliche Berufsgruppen zusammen. Gleichberechtigte Entlohnung und Arbeitsbedingungen sind jedoch oft nicht gegeben. Daher ist Solidarität im gesamten Sozialbereich wichtig. Ein Kommentar von Walter Waiss.
Pflege – mittlerweile ein beängstigendes, ein monströses Wort! Ein, auf das Wohlbefinden eines Menschen bezogen, allumfassendes Wort! Ein Wort, das tiefen Respekt auslöst, sobald der allumfassende Inhalt wirklich bewusst ist.
Und dieses Wort „Pflege“ wird noch beängstigender, monströser, wenn es zusammengeführt wird, mit den Rechten jedes Menschen auf Information und Mitentscheidung über sich und seinen Körper!
Dass dieser Umstand die „Pflege“ als alleingestellte Profession, wie sie klassisch und althergebracht gesehen wird, bei weitem überfordert, zeigt nicht nur die immer unterschiedlichere und speziellere Ausbildung verschiedener Akteur:innen in der „Pflege“, sondern auch die Entwicklung von besonders ausgebildeten Mitakteur:innen der Begleitung, Betreuung und eben … „Pflege“.
Ohne diese heute nicht nur üblichen, sondern teilweise auch vorgeschriebenen multiprofessionellen Teams wäre „Pflege“ nach anerkannten und gesetzlich geregelten Vorschriften nicht möglich. Sie wäre so wenig möglich, wie die Reparatur eines aktuellen Autos durch den „klassischen Mechaniker“ ohne Berücksichtigung der Elektronik, speziellen Karosseriematerialien, etc. etc.
Die Krise der Gesundheitsberufe ist eine, die seit Jahren aber auch selbstverschuldet durch Berufsgruppenangehörige und deren Vertreter:innen heraufbeschworen wurde und deren Eindämmung oder Beseitigung nun nicht mehr machbar erscheint.

Foto von der Mahnwache vor dem Landhaus St.Pölten im Sept. 2022. Walter Waiss – Betreuer und Begleiter von Menschen mit Behinderung, Betriebsrat, AKNÖ-Rat, WINK-Gründungsmitglied. | Foto: Waiss
Vor mehreren Jahren zeigte ein Prozess vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien bereits dieses Gesicht der Entsolidarisierung zwischen den beteiligten Berufsgruppen eines Pensionist:innenwohnheimes. Der Gerichtsentscheid wurde gesucht in der Frage, ob Heimhilfen, die sieben Tage in der Woche die Begleitungs-, Betreuungs- und Pflegetätigkeiten in Gruppen von demenzkranken Menschen TATSÄCHLICH durchführen, die Schmutz- Erschwernis- und Gefahrenzulage zusteht. Der Arbeitgeber hatte dieses Ansinnen abgelehnt und die z.B. regelmäßig mit verbalen und körperlichen Attacken, mit schwerer körperlicher und emotionaler Belastung verbundenen Tätigkeiten nicht als SEG-würdig empfunden.
Das „klassische Pflegepersonal“ allerdings erhielt diese Zulage. Es gab keine Solidarisierung und es gab keinen gemeinsamen Kampf um die Beendigung dieses ungerechten und ungesetzlichen Zustands; nicht gemeinsam von den unterschiedlichen Berufsgruppen und auch nicht unterstützt durch den Betriebs- und/oder Zentralbetriebsrat. Die zuständige Direktorin einer der Standorte des Arbeitgebers rechtfertigte die Vorgehensweise bzgl. SEG-Zulage damit, dass die (klassischen) Pflegepersonen eben die Verantwortung trügen – bei Dienstplangestaltung und Planung.
Dazu ein passender Auszug aus dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) §3a:
(5) Personen gemäß Abs. 3 (Mitarbeiterinnen in Einrichtungen der Behindertenhilfe) dürfen die unterstützenden Tätigkeiten bei der Basisversorgung nur nach schriftlicher Anordnung eines Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege oder eines Arztes durchführen.
(6) Personen gemäß Abs. 3 sind verpflichtet,
1.die Durchführung der angeordneten Tätigkeiten ausreichend und regelmäßig zu dokumentieren und die Dokumentation den Angehörigen der Gesundheitsberufe, die die betreute Person pflegen und behandeln, zugänglich zu machen, sowie
2.der anordnenden Person unverzüglich alle Informationen zu erteilen, die für die Anordnung von Bedeutung sein könnten, insbesondere Veränderung des Zustandsbilds der betreuten Person oder Unterbrechung oder Beendigung der Betreuungstätigkeit.
Schon dieser kurze Auszug zeigt, dass „Pflege“ geleistet wird, die prinzipiell Angehörigen der klassischen Pflegeberufe vorbehalten sind.
Wo bleibt die Solidarität innerhalb der multiprofessionellen Teams und ihrer Vertreterinnen in Bezug auf die gleichen Rechte, auf Entlastung und körperliches, wie auch emotionales Gleichgewicht? Ich fordere diese Solidarität – von allen betroffenen Berufsgruppen!
Wo bleibt politische Vernunft zur nachhaltigen und gleichbehandelten Entwicklung all der Berufsgruppen, die Verantwortung tragen für das Wohlbefinden von Menschen und die Erfüllung von GuKG, sowie internationaler Verträge und nationaler Gesetze? Ich fordere diese Vernunft von den politisch verantwortlichen Entscheidungsträgerinnen!
Das fordere ich ALLES und ich fordere das JETZT!
Walter Waiss
Betreuer von Menschen mit Behinderung
Betriebsrat
AKNÖ-Rat
Kontakt: walterjo.waiss@gmail.com
Download
Die Resolution GSBP in NÖ kann hier heruntergeladen werden:
Resolution Gesundheit, Soziales, Pflege und Betreuung (GSPB) in Niederösterreich (PDF)
Nachsatz: Der zitierte Prozess endete ohne Gerichtsurteil, da der Arbeitgeber seine Schuld vor Prozessende eingestand und – obwohl eine einzige Heimhilfe ihre Rechte beinahe allein gefordert und vertreten hatte – die Bezahlung der SEG-Zulage an alle betroffenen Heimhilfen garantierte.
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 23.03.2023
Artikel-Kategorie(n): Arbeitsbedingungen, Kommentare, News
Permalink: [Kurzlink]