Zwei Jahre lang wurde in Wien im Rahmen eines Modellprojekts Persönliche Assistenz finanziert und evaluiert. Seit April 2008 gibt es in Wien neue Leistung für Persönliche Assistenz. Viel erreicht oder doch nur eine Regelung für einige wenige? Ein Kommentar.
„Regie führen im eigenen Leben“ – das ist es, was ich unter Persönlicher Assistenz verstehe. Ich lebe seit vielen Jahren – mit meiner Muskelkrankheit und trotz der Behinderung durch die Gesellschaft selbstbestimmt mit Persönlicher Assistenz. Seit knapp zwei Jahren bin ich Teilnehmer des Wiener Modellprojekts PA. Durch die finanziellen Mittel ist es mir möglich, meine Assistenten anzustellen und entsprechend zu entlohnen. Das gibt ein gutes Gefühl. Obwohl doch noch mit etwas Bauchweh. Manchmal zumindest, wenn man viel nachdenkt. Denn eine gesetzliche Regelung für PA gibt es noch nicht – und da denke ich gar nicht an die Finanzierung, da denke ich an arbeitsrechtliche Regelungen, da denke ich an gesundheitsrechtliche Vorschriften, da denke ich an kollektivvertragliche Vereinbarungen. All diese Grundlagen gibt es noch nicht. Und wir leben mit Persönlicher Assistenz. Und das mit vollster Überzeugung! Ja!
Wir behinderten Menschen leben von vor der Geburt bis zum Tod damit, dass Diskriminierung etwas ganz Normales ist. Es scheint das Selbstverständlichste auf der Welt zu sein, dass andere über uns bestimmen und nicht wir selbst. Was Nichtbehinderten gegenüber als Zumutung und Frechheit empfunden wird, gilt uns Behinderten gegenüber als in Ordnung. Das ist der Grund, warum Gleichstellung nicht etwas Normales ist, sondern wir Behinderten darum kämpfen müssen.
In Wien ist ein kleiner Etappensieg errungen worden. Es gibt ab April 2008 für mehr behinderte Menschen als zuvor Geld für Persönliche Assistenz. Und dies muss uns dazu ermutigen weiterzukämpfen, da noch vieles nicht erreicht ist:
- Nach wie vor sind Menschen mit Lernschwierigkeiten gänzlich von einer selbstbestimmten Möglichkeit der Finanzierung von Unterstützung ausgeschlossen. Sie müssen weiterhin jene Betreuung in Kauf nehmen, die ihnen von der Institution vorgesetzt wird. Ob das passt oder nicht.
- Nach wie vor sind alte Menschen ausgeschlossen. Sie müssen um die Pflegeamnestie bangen oder auf mickrige Zuschüsse zur “24-Stunden-Pflege” hoffen.
- Nach wie vor sind behinderte Kinder und Jugendliche ausgeschlossen und auf die Betreuung durch die Familie angewiesen. Damit ist die Chancengleichheit der Eltern massiv eingeschränkt.
- Nach wie vor gibt es keine Wahlfreiheit zwischen ArbeitgeberInnen- und Dienstleistungsmodell. Adäquat finanzierte Budgetassistenz ist ebenfalls nicht vorgesehen.
„Jetzt bestimme ich selbst!“ lautet der Slogan der Kampagne für das Persönliche Budget in Deutschland. Und obwohl dieses Konzept sicher nicht der Weisheit letzter Schluss ist, so ist doch der Grundgedanke ein anderer als bei den verschiedenen PA-Regelungen in den österreichischen Bundesländern – das Persönliche Budget schließt nämlich von vornherein keine Behinderten- oder Altersgruppen aus, es ist rein auf den Bedarf der einzelnen Person ausgerichtet, und das muss nun auch endlich in Österreich die kompromisslose Linie in der Behindertenbewegung werden!
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 24.05.2015
Artikel-Kategorie(n): Kommentare, News, Persönliche Assistenz
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