Eine blindes Paar will ein Kind adoptieren. Die Jugendwohlfahrt lehnt ab. Ist die Begründung gerechtfertigt oder doch Diskriminierung aufgrund der Behinderung?
Vor einigen Tagen erst hat das Redaktionsteam von behindertenarbeit.at einige Auszüge und zusammengefasste Textpassagen aus dem neuen Frauengesundheitsbericht 2010/2011 veröffentlicht. Aus aktuellem Anlass möchte ich folgende Feststellung des Berichtes noch einmal hervorheben:
Wenn es um Schwangerschaft, Geburt und Kinder geht, werden behinderte Frauen und Mädchen häufig diskriminiert, da die Gesellschaft ihre sexuelle Aufklärung, gynäkologische Versorgung und Mutterschaft noch immer kritisch „beäugt“.
Und weiter:
Es liegt in der Verantwortung einer solidarischen Gesellschaft, Menschen mit Behinderung die notwendigen Unterstützungsleistungen zur Verfügung zu stellen. Gemeinsam soll ihnen sein, dass sie ausgleichend sind und ohne Bevormundung eine chancengleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.
Das Paar Elfriede Dallinger und Dietmar Janoschek erleben derzeit wohl kaum die geforderte chancengleiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Die beiden sind seit 20 Jahren ein Paar. Sie wohnen in einem Einfamilienhaus mit Garten und Pool. Herr Janoschek arbeitet im Bereich Gebäudeverwaltung und Marketing für die Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Frau Dallinger kümmert sich um anfallende Arbeiten rund um Haus und Garten. Ideale Voraussetzungen um eine Familien zu gründen – bzw. einen Adoptionsantrag zu stellen, da sich der Kinderwunsch auf natürlichem Weg nicht erfüllen lässt!? …. Nachdem der Antrag auf Adoption eingebracht war, wurden nach eigenen Angaben, eine Reihe von medizinischen Untersuchungen und ein dreitägiges Seminar für zukünftige Adoptiveltern absolviert. Danach kam eine Sozialarbeiterin zu Besuch um festzustellen „dass unsere persönlichen und finanziellen Verhältnisse ideal für ein Kind sind“, so das Paar in einem Kurier-Interview vom 06.05.2011.
So weit, so gut. Würde die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land nicht den Antrag ablehnen und begründen, dass die Jugendwohlfahrt stets aus dem Blickwinkel des Kindes beurteilen muss, ob Adoptivwerber alle Fähigkeiten mitbringen, um Anforderungen zu erfüllen – nämlich, dass „Pflege und Erziehung, seine (des Kindes, Anm. der Redakteurin) Förderung und Versorgung sowie auch seine Sicherheit bestmöglich garantiert sind.“
Pflege, Erziehung, Förderung, Versorgung und Sicherheit – aha.
Ein Paar: er geht arbeiten und kümmert sich um die notwendige finanzielle Versorgung der Familie. Sie ist nicht berufstätig und kümmert sich großteils um Pflege, Erziehung und Förderung des Kindes/der Kinder. Gemeinsam versuchen sie im Sinne ihrer ausübenden Rollen und Tätigkeiten Sicherheit herzustellen. Ein sehr klassisches Bild von Familie und Rollenverteilung, würde ich behaupten…
Trifft dieses nicht auf oben geschilderte Lebenswelt des Paares zu? Warum dann die Ablehnung mit zitiertem Ausschnitt aus der Stellungnahme der Jugendwohlfahrt? Hat die Autorin einen wichtigen Teil der Geschichte vergessen zu erwähnen? Nein, aus Ihrer Sicht nicht. Aber aus der Sicht der Jugendwohlfahrt:
Herr Janoschek und Frau Dallinger sind „leider“ behindert.
Sie sind „leider“ blind.
„Leider“ wollen sie ein blindes Kind adoptieren.
Und leider leben sie in Österreich…
AutorIn: Mag.a Isabell Supanic
Zuletzt aktualisiert am: 09.05.2011
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