Österreichs große gemeinnützige Pflegeorganisationen sehen den Beteiligungs- und Expertenprozess zur Pflegereform positiv. Sie fordern eine rasche Entscheidung über Inhalte.
Die Trägerorganisationen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe, die in der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) zusammenarbeiten, stellen dem Beteiligungs- und Expertenprozessprozess der Bundesregierung anlässlich der Fachtagung der von Sozialminister Rudi Anschober ins Leben gerufenen „Task Force Pflege“ am 20. Oktober 2020 in Wien ein positives Zeugnis aus: „Es ist sinnvoll, bei einem derart komplexen und fordernden Thema wie der Pflegereform, auf eine möglichst breite Basis an Wissen und Erfahrung abzustellen“, meint Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich und aktuell Vorsitzende der BAG.
Politik muss Entscheidungen treffen
Gefordert werden nun Entscheidungen der Politik. Es müssten die „Eckpfeiler der Reform“ eingeschlagen werden. „Es braucht nun politische Entscheidungen, um Auswahl und Richtung der Maßnahmen festzulegen. Und es braucht politische Kooperation über Ressort- und Kompetenzgrenzen hinweg“, so Anselm. Eine Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Gemeinden sowie diverser Ressorts sei notwendig.
Inhaltliche Weichenstellungen und fachliche Detailarbeit von Nöten
„Der umfassende digitale Beteiligungsprozess im Sommer, die Dialogtour des Sozialministers, bei der er insbesondere auch das Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Praxis gesucht hat, und die große Fachtagung der Task Force Pflege am 20. Oktober haben zweifellos eine ganze Reihe wertvoller Impulse und relevanter Vorschläge zur Weiterentwicklung des österreichischen Pflegesystems gebracht“, sagt Michael Opriesnig, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes.
Opriesnig macht auch darauf aufmerksam, dass noch viel fachliche Detailarbeit zu leisten sei. Als Beispiel nennt er das Schlagwort „Community Nurses“ aus dem Regierungsprogramm. „Was genau wollen wir nun tatsächlich fachlich und organisatorisch darunter verstehen? Für welche der Konzepte soll ein Rahmen samt budgetärer Basis geschaffen werden? Hier gehen die Meinungen und Anschauungen, ebenso wie bei anderen Themen, immer noch weit auseinander“, stellt Opriesnig fest.
Anna Parr, Generalsekretärin der Caritas Österreich, hebt die Dringlichkeit bei der Ausbildung im Pflegebereich hervor: „Es ist etwa vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und des steigenden Pflegebedarfs sowie der nahenden Pensionierungswelle im Sektor völlig unumstritten, dass die Gewinnung von ausreichend Personal für die Pflege und Betreuung entscheidend für den nachhaltigen Erfolg der Pflegereform sein wird. Es ist daher auch klar, dass in der Ausbildung eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen werden muss. Dazu wurden in der Task Force Pflege etliche Ansätze und verschiedene Überlegungen entwickelt. Wir brauchen jedoch nun ein schlüssiges Gesamtkonzept zur Weiterentwicklung der einschlägigen Ausbildungslandschaft in Österreich, mit klarem Blick auf die notwendigen Absolventenzahlen.“
Ausbildungsoffensive gefordert
Auch Parr betont, dass gut abgestimmte fachliche Detailkonzepte noch erarbeitet werden müssen. Sie fordert eine starke Ausbildungsoffensive, damit möglichst viele Menschen kostenlos und flächendeckend nicht nur in Pflege-, sondern auch in Sozialbetreuungsberufen ausgebildet werden können.
Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen notwendig
Am Beispiel der „Schicksalsfrage Personal“ erläutert Maria Katharina Moser, Direktorin Diakonie Österreich, eine der Herausforderungen der Pflegereform, derer man sich nun zügig annehmen müsse. „Wenn wir etwa von attraktiveren Rahmenbedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege und Bereuung sprechen, dann muss uns klar sein, dass ein Teil der Verbesserungen auf Bundesebene geschaffen werden kann, beispielsweise im Kontext des Berufsrechts. Aber ein großer Teil der Rahmenbedingungen wird von den Ländern und teilweise auch den Gemeinden bestimmt.“, so Moser.
Regional unterschiedlich sind etwa die Personalschlüssel bzw. Normkosten- und Finanzierungssätze oder die konkrete Ausgestaltung der Dienste und Einrichtungen. Moser ist der Meinung, dass sich Bund, Länder und Gemeinden auf abgestimmte Anstrengungen zur Attraktivierung der Rahmenbedingungen verständigen müssen, damit eine Reform Wirkung haben kann.
Das sieht Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich ebenso und weist auf einen weiteren Bereich hin, in dem politische Kooperation im Kontext der Pflegereform dringend geboten sei: „Wir können gerade in Zeiten der Corona-Pandemie über aktive Arbeitsmarkpolitik doppelte Chancen schaffen – Chancen für Menschen, die ihren Job verloren haben und Interesse an einem Pflege- und Betreuungsberuf haben, aber auch Chancen für die Zukunft des Pflegesystems in Österreich, das dringend Personal benötigt.“
Fenninger schlägt die Realisierung von Ausbildungs- und Umschulungsangeboten vor, die auch berufsbegleitend zu absolvieren sind, sowie die Übernahme der Kosten von Ausbildung und Lebensunterhalt für die Dauer des Umstieges.
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AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 03.11.2020
Artikel-Kategorie(n): News, Soziale Arbeit und Begleitung
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