Der Aktivist Raul Krauthausen ist in der „Internet-Behindertenszene“ omnipräsent. Zuletzt brachte er in einem Instagram-Posting den Begriff „mit-behindert sein“ ins Gespräch. Ein Ausdruck, der vieles auf den Punkt bringt, was behinderte Menschen im alltäglichen Zusammenleben mit Nichtbehinderten erleben.
Das soziale Modell von Behinderung geht – ganz vereinfacht zusammengefasst – davon aus, dass die Behinderung eines Menschen nicht vom betroffenen Menschen selbst ausgeht sondern durch die Umstände, die den Menschen umgeben, z.B. durch die Barrieren um ihn herum.
Ein Rollstuhlfahrer wird demnach etwa dadurch behindert, wenn es keine barrierefreien Öffis gibt oder wenn Räume nur über Stufen erreichbar sind. Eine Gehörlose wird behindert, wenn etwa bei einem Vortrag kein Gebärdendolmetsch zur Verfügung steht. Ein Kind mit Lernschwierigkeiten wird behindert, wenn nicht ausreichend Schulassistenz für den Unterricht angeboten wird. Nicht die Diagnose an sich ist das, was behinderte Menschen an der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben hindert, sondern die nicht-behindertengerechte, nicht-barrierefreie Welt.
Wer ist „mit-behindert“?
Menschen, die KEINE Behinderung haben, aber so eng mit einem Menschen mit Behinderung zusammen leben, dass manche Probleme sie auch betreffen und behindern.
(Raul Krauthausen | Instagram)
Ein weiterer Aspekt von Behinderung nach dem sozialen Modell ist das „Mit-behindert sein“. Diese Behinderung trifft Menschen, die mit behinderten Menschen zusammen leben und die selbst eigentlich nicht-behindert wären. Als Beispiel für Krauthausen in seinem Posting Eltern mit Behinderung an. Deren Kinder sind mit-behindert, wenn etwa nicht ausreichend Assistenz für die Eltern, für den behinderten Vater, die behinderte Mutter zur Verfügung gestellt wird.
Oder es wird eine Party, ein Event organisiert [wenn Corona vorbei ist]. Wenn auch behinderte Menschen dabei sind, dann sind von der fehlenden oder mangelhaften Barrierefreiheit vieler Veranstaltungsorte alle betroffen. Es gibt weniger Auswahl, weniger Möglichkeiten, die Organisation wird womöglich umständlicher und vielleicht sogar teurer.
Wie man sieht nützt also Barrierefreiheit nicht nur den unmittelbar Betroffenen. Auch viele Menschen drumherum profitieren von einem Umfeld ohne Barrieren. Das sollte insb. auch die Politik bedenken, die in der Pflicht steht, unsere Gesellschaft so weiterzuentwickeln, dass alle daran teilhaben können.
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www.instagram.com/raulkrauthausen
AutorIn: Thomas Stix
Zuletzt aktualisiert am: 04.04.2021
Artikel-Kategorie(n): Kommentare, News, Selbstbestimmtes Leben
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