Assistierter Suizid wird mit neuem Gesetz zur Sterbehilfe mit Einschränkungen möglich – Umfangreiches Reglement soll Missbrauch verhindern
Vor fast einem Jahr hat der VfGH den § 78 des österreichischen Strafgesetzbuches als verfassungswidrig erklärt. Dieser besagte, dass „jede Art der Hilfe zur Selbsttötung“ ausnahmslos verboten sein muss. Der VfGH fordert im Sinne des Rechts auf Selbstbestimmung, dass die Verleitung zum Suizid weiterhin verboten bleibt, jedoch nicht die (physische) „Beihilfe zum Suizid“. Dadurch wurde die Regierung beauftragt, einen Plan zur Änderung des Paragrafen innerhalb des Jahres 2021 vorzulegen und durchzusetzen.
Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem eben diese Änderungsvorschläge öffentlich gemacht wurden. Justizministerin Alma Zadić, Karoline Edtstadler und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein präsentierten daher die Änderungspläne der Regierung.
Es soll ab Jänner 2022 volljährigen Menschen möglich sein, eine sogenannte „Sterbeverfügung“ zu errichten. Dabei muss eine schwere, unheilbare Krankheit vorliegen, sodass es dem Menschen durch den vorzeitigen Tod möglich gemacht wird, würdig zu sterben. Aber auch psychisch kranken Menschen steht diese Tür offen – dabei ist jedoch zu beachten, dass die Person voll entscheidungsfähig sein muss.
Ärztliche Aufklärung und Bestätigung der Entscheidungsfähigkeit
Des Weiteren sieht der Gesetzestext eine ärztliche Aufklärung vor. Dabei muss von zwei Ärzten bestätigt werden, dass die sterbewillige Person zu dieser Entscheidung selbstbestimmt fähig ist – sobald einer der beiden Ärzte zweifelt, muss eine Beurteilung durch einen Psychiater oder Psychologen durchgeführt werden. Wichtig ist hierbei noch, dass mindestens einer der beiden Ärzte eine palliativmedizinische Qualifikation aufweisen muss. Weiters wird die Person über mögliche Behandlungsalternativen wie eine Hospizversorgung und palliativmedizinische Maßnahmen aufgeklärt. Es wird ein psychotherapeutisches Gespräch angeboten, und es wird auf weitere Beratungsangebote hingewiesen.
Wartezeit soll spontane Entscheidung verhindern
Nach der Aufklärung ist eine Wartezeit von drei Monaten vorgesehen – so soll sichergestellt werden, dass sich die Person nicht in einer kurzfristigen Krise befindet. Dabei gibt es eine Ausnahme, nämlich wenn die sterbewillige Person nur mehr sehr kurz zu leben hat.
Nun ist es der Person möglich, mit einer wirksamen Sterbeverfügung, ein tödliches Präparat bei einer Apotheke abzuholen. Dabei handelt es sich um Natrium-Pentobarbital – der Gesundheitsminister kann jedoch mit Verordnung die Zulassung von weiteren Präparaten durchsetzen.
„Letzten Auslöser“ muss Patient selbst betätigen
Letztendlich muss die sterbewillige Person das Präparat selbst zu sich nehmen – den letzten Auslöser, welcher den Tod auslöst, muss immer die Person selbst betätigen.
Die Regierung betont zuletzt noch zwei unerlässliche Prinzipe: Ein Arzt oder Apotheker ist zu keiner Zeit dazu verpflichtet, sich an einem assistierten Suizid zu beteiligen. Es darf aber auch nie eine assistierende Person, durch ihre Entscheidung zur Beihilfe zum Suizid einen Nachteil erfahren.
„Werbeverbot“ für assistierten Suizid
Außerdem darf nicht mit der Hilfeleistung zum assistierten Suizid geworben werden – „Das Werbeverbot umfasst Werbung, die eigene oder fremde Hilfeleistung oder Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zur Selbsttötung geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung anbietet, ankündigt oder anpreist.“ Es ist jedoch nicht untersagt, eine Person auf die Möglichkeit des assistierten Suizids hinzuweisen – so darf zum Beispiel ein Arzt einen Patienten darauf aufmerksam machen, dass sie eine Aufklärung, wie zuvor beschrieben, anbieten.
Der Gesetzesentwurf liegt bis zum 12. November 2021 zur Begutachtung im Parlament auf. Lt. Plan der Regierung soll das Gesetz mit 1. Jänner 2022 in Kraft treten.
Link zum Gesetzesentwurf
[parlament.gv.at – Sterbeverfügungsgesetz; Suchtmittelgesetz, Strafgesetzbuch, Änderung]
AutorIn: Redaktion
Zuletzt aktualisiert am: 09.11.2021
Artikel-Kategorie(n): Eugenik und Menschenwürde, News
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